Güterzug-Unglück: Hat die Bahn geschlampt?
Eine Bürgerinitiative sieht Parallelen zu anderen Zugunglücken: War’s die Radachse?
NÜRNBERG Es war der Schock in Nürnberg-Schweinau: Ein Güterzug entgleiste am Nachmittag des 7. August. 14 von 24 Waggons sprangen aus der Schiene, zermahlten Gleis und Gleisbett zu Staub. Wie durch ein Wunder kamen dabei keine Menschen zu Schaden. Die Ursache für die Beinahe-Katastrophe ist laut Bahn noch ungeklärt.
Jetzt meldete sich Wolfgang Schneider von der Bürgerinitiative im Mittelrheintal bei der AZ: Bei ihm klingelten alle Alarmglocken – das Unglück in Nürnberg passt in eine Entgleisungs-Serie mit Güterwaggons. Sein Vorwurf: Die Bahn schlampt bei der Wartung und Instandhaltung der Gleise. „Das Wartungsintervall der Schienen wurde verlängert. Jetzt wird nur noch nach Bedarf geschliffen“, sagt Schneider. Dazu passt ein Eintrag eines Abendzeitung-Users, der von sich behauptet Lokführer zu sein. Er schreibt: „Die Schienen sind komplett runtergefahren. Und das schon seit über zwei Jahren.“
Bahn-Unternehmen sind ihre eigene Sicherheits-Behörde
Ein weiterer Kritikpunkt der Bürgerinitiative: Die Wartung der Wagen-Achsen sei mangelhaft. Erst im Juni war in Viareggio in Italien ein Güterzug explodiert, es gab 16 Tote. Im Juli ist ein Güterzug bei Villach in Österreich aus den Schienen gesprungen. Davor gab es bis Mai 2007 sieben schwere Güterzugentgleisungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Diese seien, so das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), auf Brüche der Achsen zurückzuführen. Deshalb gab es eine verpflichtende „Allgemeinverfügung“ an die über 400 Eisenbahnunternehmen und Wagen-Halter heraus: Die Wagenachsen müssen kontrolliert werden. Doch die DB sieht heute, zwei Jahre später, diese Verfügung als nicht wirksam an – man habe Widerspruch eingelegt, erklärte eine Bahnsprecherin.
Unfassbar: Die Bahnbetreiber sind ihre eigene Sicherheitsbehörde: „Für die Sicherheit sind die Wagenhalter und Eisenbahnunternehmen selbst verantwortlich“, heißt es dazu aus dem Eisenbahn-Bundesamt. So, als wäre jeder Lkw-Spediteur in Deutschland sein eigener TÜV.
Man mache zwar Stichproben, um die Sicherheit der Wagen zu überprüfen, erklärte eine Sprecherin des EBA. Doch in Deutschland gibt es einige hunderttausend Güter-Wagen, alleine die Bahn hat 120000 davon. Die Mannschaft zur unabhängigen Kontrolle dieser Masse an Wagen und des gesamten Schienennetzes ist aber gerade einmal 140 Mann stark. mm
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