Grundig-die Legende lebt
Nach Jahren der Ungewissheit will man beim einstigen Nürnberger Vorzeige-Unternehmen unter türkischer Führung die Wende schaffen. Seit Mustafa Koc, der mächtige Mann aus der Türkei, den Mitarbeitern versprochen hat, er werde Grundig zur Perle seines Unternehmens machen, herrscht Aufbruchs-Stimmung.
NÜRNBERG Zum 100.Geburtstag des verstorbenen Gründers ist sie wieder ausführlich erzählt worden: die Grundig-Legende vom Aufstieg und Fall eines Wirtschaftswunder-Konzerns, der einst 40000 Menschen Arbeit gab und in einer grandiosen Pleite unterging (s. Kasten). Rund 200 Menschen in einem klimatisierten Industrie-Komplex an Beuthener Straße in Nürnberg haben das mit eher gemischten Gefühlen registriert – weil sie eben nicht Geschichte sind. Grundig – die Legende lebt!
„Das passiert uns immer wieder“, sagt Deutschland-Vertriebsleiter Erik Böhme, „dass die Leute sagen: ,Ich dachte, euch gibt’s gar nicht mehr!’“ Mit der Pleite im Jahr 2003 ist die Firma irgendwie von der Wirtschafts-Landkarte verschwunden. Dabei existierte das Herzstück des zerfallenen Konzerns als Grundig Intermedia GmbH weiter. Und wie durch ein kleines Wunder hat auch das Knowhow der fränkischen Technik-Tüftler die Wirren der letzten Jahre überlebt.
Im Schatten der zwei Grundig-Türme
Freilich: Fernseher werden in Langwasser wohl nie mehr gebaut werden. Aber Vertrieb, Marketing, Entwicklung, Service, Design, Planung, Produkt- und Qualitäts-Management – das ist alles im Schatten der zwei Grundig-Türme erhalten geblieben. Nur die Fernseher-Fabrik – mit fünf Millionen TV-Geräten pro Jahr die zweitgrößte Europas – steht heute in Istanbul.
Grundig gehört jetzt der türkischen Industriellen-Familie Koc. Die Koc-Gruppe ist mit rund 40 Milliarden Dollar Umsatz und 85000 Mitarbeitern der größte Konzern der Türkei. Koc baut Autos für Fiat und Ford, produziert Waschmaschinen und Strom, betreibt Banken, Tankstellen und Versicherungen. Und vom Band des TV-Werks in Istanbul kommen auch Fernseher anderer Marken. Das alles passiert hoch profitabel, das jährliche Umsatz-Wachstum beträgt 20 Prozent. Da ist es erstaunlich, dass Koc an Grundig festhielt, obwohl es massive Probleme gab. Im Jahr 2006 schrieb die Firma tiefrote Zahlen – doch Koc zahlte den Mit-Besitzer Alba, eine britische Vertriebs-Gesellschaft, mit 35 Millionen Euro aus und übernahm den Laden ganz.
Seitdem genieße Grundig „die Priorität, die die Marke verdient“, sagt Vertriebsleiter Erik Böhme. Seit Mustafa Koc, der mächtige Mann aus der Türkei, den Mitarbeitern versprochen hat, er werde Grundig zur Perle seines Unternehmens machen, herrscht Aufbruchs-Stimmung. Zumal alle sicher sind, dass am Jahresende mindestens eine „schwarze Null“ unter der Bilanz stehen wird.
Umlabeln verboten
Dem türkischen Boss ist wichtig, dass er das Label „designed and developed in Germany“ auf seine Fernseher kleben kann – deshalb wird die Grundig-Zentrale dauerhaft in Deutschland bleiben. Und deshalb wird Koc auch in die Marke investieren.
Vorbei die Zeiten, als man versuchte, minderwertige Geräte mit dem Namen Grundig umzulabeln. „Das ist drastisch schiefgegangen“, sagt Peter Dennerlein (50), der Qualitäts-Direktor. „Daran wären wir beinahe ein zweites Mal gestorben.“ Ihn, der bis zur Insolvenz fast 30 Jahre lang bei Grundig gearbeitet hatte, haben sie von der Konkurrenz zurückgeholt, um die Qualitäts-Probleme in den Griff zu bekommen.
Seitdem jettet Dennerlein zwischen Nürnberg und Istanbul hin und her. „Zuerst haben wir nur eine Produktions-Linie auf unseren Grundig-Standard umgestaltet. Und es hat sich gezeigt, dass die dem Rest der Fabrik um Äonen überlegen war“, sagt Dennerlein nicht ohne Stolz. „Irgendwann hat man sich dann wohl gedacht: ,Machen wir doch eine High-End-Fabrik draus!’“ Das Ganze habe sich unglaublich schnell realisieren lassen, lobt der Qualitäts-Manager – vor allem, weil die türkischen Kollegen ausgesprochen fähig und gut ausgebildet seien.
Ein Schmankerl für Nostalgiker hat Dennerlein dann aber doch noch auf Lager: „Wir bringen im Juli die berühmten Audiorama Kugelboxen von Grundig aus den 70er-Jahren wieder auf den Markt!“ Mit modernster Technik, versteht sich, zum Preis von 1000 Euro für das Paar: „Die werden dann sogar in Deutschland gebaut.“
W. Vennemann
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