Grotesker Totentanz mit Turnschuhen

NÜRNBERG - André Butzer zeigt in der Kunsthalle Nürnberg knallbunten Expressionismus-Pop.
Vom pulsierenden Comic-Expressionismus zur menetekelnden Abstraktion sind es nur wenige Schritte in der Nürnberger Kunsthalle. „Viele Tote im Heimatland: Fanta, Sprite, H-Milch, Micky und Donald!“ heißt die Ausstellung mit großformatigen Werken André Butzers, der sich erstmals in Nürnberg präsentiert mit einem Querschnitt durch die letzten zehn Jahre: düstere Science-Fiction-Fantasien prallen auf aufgeblasene Kinder-Szenen und rätselhafte Hieroglyphen.
So popkulturell wie der Ausstellungstitel ist auch Butzers Zeichen-Universum. Da wimmelt es von schwarzweißen Kulleraugen in giftbunten Farbmeeren, Motivzitaten und Fantasienamen. Butzer kreuzt Walt Disney mit Edvard Munch, van Gogh mit Emil Nolde und geht damit in Serie wie Andy Warhol oder Henry Ford. Er feiert und verdammt den Konsum, konstruiert aus Markennamen neue Identitäten wie die „Friedens-Simense“ und malt in „Amerikanische Leibesübungen“ einen grotesken Totentanz mit Turnschuhen an den Füßen. Der SS-Totenschädel (mit gekreuzten Knochen drunter) mutiert bei ihm zum „Schandekopf“; auch ist er Nazis wie Eichmann oder dem KZ-Aufseher Josef Blösche auf der Spur. Aber nur, um sie abzuhandeln, abzuarbeiten, den Weg freizumachen für „Fläche, Farbe, Raum — das sind die unendlichen Themen der Kunst“, die Butzer wirklich interessieren.
Und die er dick auftragend auslotet, seit er von der billigeren Acrylfarbe zum altmeisterlichen Öl wechselte. Manchmal türmt er die Farbe mit Tube, Pinsel oder Fingern zentimeterhoch. Mit durchaus beeindruckendem Ergebnis: Die jüngeren, fast einfarbigen Großformate in Schwarzgrau besitzen die Wucht eines Bronzereliefs.
Nebenbei strickt Butzer an seiner Privatmythologie. 1973 geboren, studierte er unter anderem an der Hamburger Akademie Isotrop, einer selbstorganisierten Kunst-Schule, an der auch Jonathan Meese lernte. Ähnlich gaga klingen die Thesen des Wahl-Berliners mit Haus im Grünen zu Tizian, Ford, Disney und Gerhard Richter; sein Lebenslauf im Katalog (Kerber Art, 120 Seiten, während der Ausstellung 24, danach 29,80 Euro) riecht arg nach Genie-Kult und ist damit ebenso harmlos unterhaltsam wie die bunten Chaos-Bilder mit Kunstgeschichtsschwanz. Georg Kasch
Kunsthalle (Lorenzer Straße 32): 18. bis 23. August, Di, Do-So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr