Grantige Bauern und der Wolf - in Oberaudorf geht's beim Termin von Söder rund

Oberaudorf - Es hätte ganz schön schief gehen können: Genau dorthin, wo binnen weniger Tage ein Bär und ein Wolf Tiere gerissen haben, lädt Markus Söder (CSU) zum Ortstermin.
Die Wut vieler Landwirte auf die Politik ist immens. Viele fühlen sich ohnmächtig, wenn es um die großen Beutegreifer geht. "Jeder, der an Arsch in der Hosn hod, kimmd und sogt am Glauber und am Aiwanger Bescheid", heißt es in einem Flyer, mit dem die Landwirte sich vorab verabredet haben.
Söder, Aiwanger, Aigner und Glauber auf Ortsbesuch
In der Tat ist der Zulauf immens, es gibt kaum noch Parkplätze am Berggasthof Bichler See in Oberaudorf. Mehrere Hundert Landwirte sind gekommen - trotz Blockabfertigung auf der Inntalautobahn.
Auch Söder hat eine Entourage mitgebracht, Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) und zahlreiche hochrangige Vertreter aus den Bereichen Landwirtschaft und Jagd sind vor Ort.
Söder: "Es ist was Ernstes"
Wie immer ist das Timing des Ministerpräsidenten perfekt: Er hat den Bauern schon am Dienstag den Wind aus den Segeln genommen und eine neue Verordnung vorgestellt, mithilfe derer Wölfe künftig schneller entnommen werden sollen (AZ berichtete). Statt Tomaten und faulen Eiern erwarten ihn halbwegs besänftigte Landwirte in der Inntaler Bergwelt. "Es ist was Ernstes", sagt Söder eingangs und nicht etwa, "wie viele in München meinen, Klamauk."
Herdenschutzhunde halten Landwirte für keine Lösung
Söder, Aiwanger und Aigner sprechen davon, wie wertvoll die Almwirtschaft als Lebensgrundlage für die Bauern ist, zumal sie auch eine große Rolle für die Artenvielfalt spielt. Und dass sie der Wolf eben bedroht.
Denn durch Zäune geschützt werden kann das Almgebiet kaum. Auch Herdenschutzhunde halten viele Landwirte für keine Lösung, erst recht nicht in einer Tourismusregion, in der die Urlauber über die Weiden laufen.
Zugleich vermehren sich Wölfe exponentiell. Bisher sind die Risse in Oberbayern eher durch durchziehende Jungwölfe entstanden. Das könnte sich schnell ändern, sofern sich ein Rudel ansiedelt. Dies droht beispielsweise im Werdenfelser Land, wo sich ein Wolfspaar angesiedelt hat. Die Fähe ist tragend.
Aiwanger: "Die Gesellschaft hier draußen nicht im Stich lassen"
Bei den Landwirten kommen die Worte von Söder und seiner Entourage gut an. Nur hat die Regelung einen kleinen Schönheitsfehler, um den eigentlich auch der promovierte Jurist und Ministerpräsident wissen müsste: EU- und Bundesrecht sorgen schließlich dafür, dass jedes Gericht Entnahmegenehmigungen sehr schnell wieder kippen würde. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat gestern indes Kritik zurückgewiesen, zu wenig zum Schutz vor dem Wolf zu tun.
Dass ein "juristisches Hinterdirl" droht, merkt auch Aiwanger an. Und wagt sich auf äußerst dünnes Eis: "Auch die, die klagen, und die, die Recht sprechen, müssen sehen, dass sie die Gesellschaft hier draußen nicht im Stich lassen können." Auf da Oim, da gibt's koa Gewaltenteilung?
Landwirt: "Wir sind so dermaßen im Stich gelassen worden am Wochenende"
Umweltminister Thorsten Glauber kommt fast 45 Minuten zu spät zum Termin und muss sich dann erst mal verbal abwatschen lassen. Denn das Landesamt für Umwelt (LfU), nachgelagerte Behörde seines Ministeriums, ist seit Jahren ein Dorn im Auge vieler Bauern. Bei der Auswertung von DNA-Proben bei Rissen werde gemauschelt, sagen sogar Tierärzte. Die Krux: Nur wenn nachweisbar ein großer Beutegreifer verantwortlich war, erhalten die Bauern eine Entschädigung für ihre Tiere.
Schafhalter Andre Sigl will keine Details nennen, nur so viel: "Wir sind so dermaßen im Stich gelassen worden am Wochenende." Er meint das LfU und dessen Vertreter und es ist ihm anzumerken, wie sauer er ist. Im Gespräch mit der AZ wiegelt Glauber ab und berichtet von "größtem Lob" für den LfU-Vertreter, der die Bärenrisse aufgenommen habe. Das müsse eben "Benchmark" sein, die Kritik müsse man aufarbeiten.
"Da geht's um den Wahlkampf"
Für dumm verkaufen lassen sich die Bauern nicht. "Mit Magengrummeln" sieht ein Landwirt vom Samerberg, mit dem die AZ spricht, die neue Verordnung. Ob hinter der "großen Aufmachung" auch wirklich eine rechtliche Grundlage steht, bezweifelt ein anderer. "Da geht's um den Wahlkampf", sagt ein Bauer aus Bernau. Aber das sei in Ordnung: "Hauptsach' es geht was vorwärts!"
"Mia ham ja heier Wahl", sagt auch Anton Moser aus Raubling augenzwinkernd. Er wird demnächst sein Jungvieh auf die Alm treiben. Heuer mit Sorge wegen der zahlreichen Risse in der Region.