Interview

Goldschatz-Diebstahl von Manching: Jetzt spricht ein Strafverteidiger exklusiv in der AZ

Taucht das geklaute Gold aus dem Manchinger Kelten-Römer-Museum während des Prozesses wieder auf? Wieso das wichtig ist und sich Kunstminister Markus Blume (CSU) lieber raushalten soll, erklärt Strafverteidiger Klaus Wittmann in der AZ
Leonie Fuchs |
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Dieser Münzenschatz ist der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts. Im November 2022 hatten Einbrecher ihn aus dem Kelten-Römer-Museum in Manching gestohlen.
Dieser Münzenschatz ist der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts. Im November 2022 hatten Einbrecher ihn aus dem Kelten-Römer-Museum in Manching gestohlen. © dpa

Ingolstadt - Wie geht es weiter im "Goldschatz-Verfahren"? Das wollte die AZ im Gespräch mit Strafverteidiger Klaus Wittmann erfahren. Sein Mandant war am spektakulären Raub des Goldschatzes aus dem Manchinger Museum in einer Novembernacht 2022 mutmaßlich beteiligt. Doch dies gelte es erstmal zu beweisen, sagt Wittmann.  Der Fachanwalt für Strafrecht vertritt seit 30 Jahren deutschlandweit Privatpersonen als Strafverteidiger. Zuletzt im "Badewannenmordfall" und im Doppelgängerinnen-Mord.

AZ: Herr Wittmann, Sie verteidigen gemeinsam mit Thilo Bals einen der vier Angeklagten im "Goldschatz-Verfahren" am Landgericht Ingolstadt. Wie geht es Ihrem Mandanten (44) in U-Haft?
KLAUS WITTMANN: Den Umständen entsprechend. Über die Gefangenenhilfe bekommt er immerhin eine Tageszeitung zugestellt, das erleichtert ihm ein bisschen den Alltag. Es ist natürlich eine belastende Situation für ihn – weg zu sein von der Familie, vom Alltagsleben.

Tätig war Ihr Mandant, der in Schwerin geboren ist, als Hotelbetriebswirt, ist das richtig?
Ja, er hatte in Berlin zwei gut laufende Weingeschäfte betrieben. Damit hat er so viel Geld verdient, dass er sich einen guten Lebensstandard erarbeiten konnte.

Die Strafverteidiger Klaus Wittmann (l.) und Thilo Bals stehen hinter ihrem Mandanten beim Prozessauftakt. Er und vier weitere Angeklagte sollen im November 2022 die keltischen Goldmünzen aus dem Manchinger Kelten-Römer-Museum gestohlen haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Strafverteidiger Klaus Wittmann (l.) und Thilo Bals stehen hinter ihrem Mandanten beim Prozessauftakt. Er und vier weitere Angeklagte sollen im November 2022 die keltischen Goldmünzen aus dem Manchinger Kelten-Römer-Museum gestohlen haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. © dpa

Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass Ihr Mandant und die drei weiteren Angeklagten seit über 16 Jahren als Räuberbande aktiv sind und schweren Bandendiebstahl in über 30 Fällen verübt haben. Demnach haben sie auch die Goldmünzen aus dem Kelten-Römer-Museum in Manching mutmaßlich entwendet. Welcher Strategie gehen Sie bei einem solchen Straftatbestand als Verteidiger nach?
Es gilt zunächst die Unschuldsvermutung. Im Moment hat sich der Angeklagte noch nicht geäußert, insofern gehen wir einer Freispruch-Verteidigung nach. Es geht bislang immer noch um die Frage der Schuld, nicht um das Strafmaß.

Sie sagen, Ihr Mandant hat sich noch nicht geäußert – auch nicht Ihnen gegenüber?
Das unterliegt der anwaltlichen Verschwiegenheit, dazu kann ich mich natürlich nicht äußern.

"Ein Einbruchdiebstahl bleibt ein Einbruchdiebstahl"

Sie haben zuletzt Angeklagte im "Badewannenmordfall" oder dem Doppelgängerinnen-Mord vertreten. Welche Bedeutung hat nun der Goldschatz-Prozess für Sie?
Die mediale Aufmerksamkeit bei dem Goldschatz-Verfahren ist hoch, mehr als beim Doppelgängerinnen-Mord. Das resultiert aus der Kombination aus Kunstdiebstahl und Goldschatz. Im Alltag hat sich das aber schon normalisiert – im Gegensatz zum Doppelgängerinnen-Mord, wo bei jedem Prozesstag der Gerichtssaal voll war. Für die Verteidigung ist der Goldschatz nicht unbedingt relevant, ein Einbruchdiebstahl bleibt ein Einbruchdiebstahl.

Beim Fall Manchinger Museum geht es aber nicht nur um x-beliebige Gegenstände, sondern um 2100 Jahre alte keltische Goldmünzen. Die Staatsanwaltschaft sprach beim Prozessauftakt von "Exemplaren der Geschichte", Kunstminister Markus Blume (CSU) nach dem Diebstahl von einem "massiven Anschlag auf unser kulturelles Gedächtnis". Welche Bedeutung hat dies für den Prozess und das spätere Strafmaß?
Der Diebstahl von Kulturgütern ist gesondert unter Strafe gestellt und wird ohnehin schwerer bestraft. Es ist allerdings besorgniserregend, wenn sich der Kunstminister schon im Vorfeld dazu äußert.

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"Im Rahmen der Gewaltenteilung sollte sich der Kunstminister eher raushalten"

Inwiefern?
Weil sich das Gericht von verfahrensfremden Überlegungen leiten lassen könnte und eine gewisse Rache üben könnte an den Beschuldigten. Vor allem, wenn die Goldmünzen nicht wieder auftauchen.

Was bedeutet das für Sie als Strafverteidiger?
Man muss noch genauer hinschauen, dass verfahrensfremde Überlegungen beim Prozess keine Rolle einnehmen. Im Rahmen der Gewaltenteilung sollte sich der Kunstminister eher raushalten. Auch darauf hinzuweisen, ist Sache der Strafverteidigung. Das würde sich die Staatsanwaltschaft nicht trauen, die vom gleichen Dienstherren besoldet wird.

Der bayerische Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU). Er sprach nach dem Diebstahl von einem "massiven Anschlag auf unser kulturelles Gedächtnis"
Der bayerische Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU). Er sprach nach dem Diebstahl von einem "massiven Anschlag auf unser kulturelles Gedächtnis" © Sven Hoppe (dpa)

Viele Beteiligte hoffen, dass der Goldschatz während des Prozesses wieder auftaucht. Was meinen Sie?
Wir hoffen alle, dass das Kulturgut wieder auftaucht, von wem auch immer. Ich fürchte aber, dass mein Mandant dazu nicht beitragen kann.

Würde das die Strafe mindern?
Davon gehe ich aus und das Gericht hat es bereits angedeutet.

Welche Taten werden Ihrem Mandanten zur Last gelegt?
Alle vier sind als Bande als solche angeklagt, da wird nicht differenziert und nach Einzelhandlungen unterschieden. Der prominenteste Diebstahl ist der Goldraub aus dem Kelten-Römer-Museum in Manching, dort soll mein Mandant auch vor Ort gewesen sein. Insgesamt werden den Männern etwa 40 Diebstähle vorgeworfen.

Welche Aufgabe haben Sie als Strafverteidiger nun während des Prozesses?
Aufgabe des Strafverteidigers ist es, die andere Sicht der Dinge darzustellen, nicht nur die der Staatsanwaltschaft. Es geht darum, am Ende ein Urteil für meinen Mandanten zu erhalten, das richtig ist. Das versuchen wir zu erreichen, indem wir unter anderem die Indizien der Staatsanwaltschaft kritisch bewerten und hinterfragen.

"Welches Urteil angemessen ist, weiß ich aktuell noch nicht"

An welche Indizien denken Sie?
Am Montag beim Gerichtstag war zum Beispiel ein Zeuge geladen, der behauptet hat, dass mein Mandant beim Transport des Goldes von Nord- nach Süddeutschland ihm gegenüber die Tat gestanden hätte. Nach meinem kritischen Nachfragen hat sich das relativiert. Die Befragung des Zeugen ist aber noch nicht abgeschlossen.

Es wurde auch mutmaßliches Tatwerkzeug mit DNA-Spuren eines Täters im Museum gefunden ...
Die könnten aber auch an einem anderen Tag zuvor dorthin gekommen sein. Eben solche Fragen zu stellen, ist Aufgabe der Verteidigung. Das kann der Mandant nicht leisten, sich kritisch mit Beweisen, Zeugen oder dem Gericht auseinanderzusetzen. Dafür braucht man eine gewisse Erfahrung und Kenntnis mit den Materien und Rechtsquellen des Strafrechts. Wir sind Dolmetscher und Krücke des Angeklagten.

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Welches Urteil wäre Ihrer Meinung nach angemessen?
Das weiß ich noch nicht, wir sind ja gerade erst am Anfang des Prozesses. Am Montag war der dritte Verhandlungstag bei insgesamt 30 Prozesstagen.

Sie wissen also noch nicht, wofür Sie am Ende plädieren?
Nein, dafür muss ich wissen, was am Ende alles auf dem Tisch liegt. Wenn man am Ende merkt, dass ein Freispruch keinen Sinn macht, muss man mit dem Mandanten sprechen und die Strategie überdenken. Auch das gehört zu dem objektiven Blick auf die Realität.

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