Glück im Dämmerzustand

Tugsal Mogul inszeniert mit „SOMNIA – auf der Intensivstationein“ ein eher von Trübsinn umwölktes Thema mit verblüffender Leichtigkeit
Dieter Stoll |
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Vier Patienten in einem eher unangenehmen Zustand: Tugsal Moguls „SOMNIA - auf der Intensivstation“ im Hubertussaal.
Veranstalter Vier Patienten in einem eher unangenehmen Zustand: Tugsal Moguls „SOMNIA - auf der Intensivstation“ im Hubertussaal.

NÜRNBERG Das Frühstück aus der Schnabeltasse, so erinnert sich eine ehemalige Patientin, war knapp vor der Schwelle zum Tod das Größte für sie. Das passt zu diesem zweiten Stück des „Theater Operation“, mit dem der praktizierende Arzt Tugsal Mogul die real existierende Medizin auf die Bühne holt.

Keine Wartezimmer-Soap für die Pharma-Industrie, kein Marketing für liberale Gesundheitspolitiker, nicht mal Therapiesitzung zum Draufzahlen. Mit „SOMNIA – auf der Intensivstation“ führt der Regie führende Anästhesist aus Münster nach seinem vorjährigen Spiegel-Blick auf „Halbstarke Halbgötter“ in eine unerforschte Parallelwelt verkabelter Patienten. Dabei spielt er keineswegs das Lied vom Tod, sondern findet seine Philosophie in Nana Mouskouris „Guten Morgen, Sonnenschein“. Hier klingt der eingespielte Refrain wie eine strenge Anordnung: „Nein, du darfst nicht traurig sein.“
Das Schnaufen und Seufzen der vier Intensiv-Patienten, die auf Kipp-Betten im Spalier auf ihre ungewisse Zukunft und eine pflegende Hand warten, wird durch die Piepser der Computer illustriert. Klingen sie wirklich so oder hat sich da die Hörgewohnheit der unendlich vielen TV-Krankenhausserien zwischen Prof. Brinkmann und Dr. House drübergelegt?

Ehe man es denken kann, ist es auf der Bühne schon gesagt. Dort werden vier Personen im Dämmerzustand, der sich oft zur Artzney ausgebremsten Aggressivität und manchmal zu irrationalen Glücks-Momenten lichtet, mit den originalen Schauspieler-Namen behandelt. Patient Stefan Otteni etwa findet ausgerechnet im hilflosesten Augenblick die Hoffnung wieder.

Entspannter Umgang mit einem Tabu-Thema

Während ihn die chronisch tüchtige polnische Schwester die Windel wechselt (Agnieszka Barczyk im Einsatz gegen das Schlimmste), denkt er laut nach über den nächsten Heiratsantrag an seine eheunwillige Freundin. Der andere Mann antwortet auf Test-Fragen nach Tag und Jahr mit einem trotzigen „Ich bin doch nicht senil“, und einer berichtet von traumatischer Erfahrung mit „neuen Schmerzen, die eine Art Melodie haben“. Es wird sicher keine fürs Mouskouri-Repertoire gewesen sein.

Tugsal Mogul setzt mit etwas Doku-Film und Musik-Überflutung die passend knappen Akzente der sehenswerten Aufführung. Er schafft das Kunststück, ein eher von Trübsinn umwölktes Thema in der Schwebe einer verblüffenden Leichtigkeit zu halten – es bleibt immer der entspannte Umgang mit einem Tabu-Thema. Witz und Würde passen da gut zusammen.

Das Ensemble (Bettina Lamprecht, Carmen Dalfogo und Dietmar Pröll sind noch dabei) spielt auch das Groteske ohne Pathos-Schaumschlag. Und Stefan Otteni, der Regie-Dauergast am Schauspielhaus, kann für seine dort bereits begonnenen Proben zur Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ den Humor auf Haltbarkeit testen. Auf der Intensivstation spielt er um eine Pointe ringend den schlechtesten Witze-Erzähler, also einen echten Notfall auch im großen Welt-Theater.

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8./9.4., 20Uhr, Hubertussaal. Karten unter 0911/ 261510

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