Glockenturm zu nah an Wohnung - Richter findet Einigung

Einem Richter am Verwaltungsgerichtshof gelingt der Durchbruch: Die Glocken dürfen weiter läuten, der Glockenturm wird dafür aber auf der Seite, die zum Wohnhaus hin reicht, komplett und schalldicht verschlossen.
John Schneider |
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Die Martin-Luther-Kirche samt Glockenturm in der Kirchengemeinde in Langquaid.
dpa Die Martin-Luther-Kirche samt Glockenturm in der Kirchengemeinde in Langquaid.

München - Ein vielleicht dreißigjähriger Kleinkrieg ist gerade noch abgewendet worden. Rainer Schenk, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgerichtshof, erreichte am Donnerstag, dass sich eine katholische Familie mit der evangelischen Kirche ihres Dorfes auf einen Kompromiss nach jahrelangem Rechtsstreit einigte.

Eine große Leistung des Friedensstifters. Denn die Fronten waren äußerst verhärtet, das machte auch die gestrige Verhandlung in der Ludwigstraße deutlich. Nicht etwa aus ideologischen Gründen, auch das machte der Richter schnell klar, sondern weil die Parteien immer erbitterter auf ihrem Recht beharrt hatten.

Gegenstand des Streites ist nicht die richtige Auslegung der Bibel, sondern ein Glockenturm, der im Jahre 2009 von der Kirchengemeinde mitten in ein Wohngebiet in Langquaid (Kreis Regensburg) gesetzt wurde. Drei Mal an jedem Werktag wird seitdem mit Glockenklang zum Gebet aufgerufen.

"Die Kinder stecken sich Ohrstöpsel rein"

Und zwar so laut, dass sich eine vierköpfige Familie in der Nachbarschaft nicht nur gestört, sondern gesundheitlich beeinträchtigt fühlt. Die Grenzwerte würden deutlich überschritten. Klägerin Sandra Beck: „Das tut weh. Die Kinder stecken sich Ohrstöpsel rein.“

Doch in der ersten Instanz vor dem Landgericht Regensburg war Bei Familie abgeblitzt. Die Richter fanden, dass die Beeinträchtigung durchaus zu ertragen sei. Der Verwaltungsgerichtshof gab der Vorinstanz zwar insoweit recht, dass Kirchengeläut grundsätzlich zu akzeptieren sei. Aber der Glockenturm kam nach dem Hausbau. Richter Schenk: „Wer später dazukommt, dem kann man mehr Rücksichtnahme abverlangen als dem, der sich schon eingerichtet hat.“

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Rücksichtnahme auf die Kläger-Familie will sich Pfarrer Uwe Biedermann aber nicht absprechen lassen. Mit dem Verzicht auf das Frühgeläut am Samstag habe er schon Zugeständnisse „entgegen unserer Glaubensüberzeugung gemacht“. Vor der Verhandlung sagte er vor laufenden Kameras, dass er und die Gemeinde zudem unter einer Reihe von ungerechtfertigten Behauptungen leiden würden.

Der Kompromiss: Die Glocken dürfen weiter läuten. Aber der neu errichtete, nur 14 Meter vom Kinder- und Schlafzimmer der Familie entfernte Glockenturm wird in ihre Richtung schalldicht verschlossen.
Das Ganze hatte schließlich sogar etwas von einem Happy End á la Hollywood. Die beiden leidenschaftlichen Kontrahenten wirkten versöhnt – und der Pfarrer versprach der Klägerin einen Blumenstrauß.

 

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