Girls, Surfen und Selbstzerfleischung
NÜRNBERG - Das Konzert des Jahres: Der Songpoet der Beach Boys, Brian Wilson, spielte im Nürnberger Serenadenhof.
Der Widerspruch ist sein Leben. Spaß, Girls, Surfen: Brian Wilson. Psychopharmaka, Drogen, Selbstmordversuche, Selbstzerfleischung: Brian Wilson.
Das sieht man dem unsicher wirkenden 67-Jährigen an, der sich im Serenadenhof hinter seinem Keyboard und einem Monitor versteckt, sich wie ferngesteuert bewegt. Aber auch: zwei Stunden lang inbrünstig ein Best-Of seiner Songs bietet.
Freilich, im Serenadenhof stimmt der Ex-Beach-Boys-Kopf nur selten verletzlichere Töne an. Das ist nach dem ersten Song klar. „California Girls“, die Hymne auf die Mädchen am Strand macht Lust auf einen Abend, gespickt mit dem besten, was Pop zu bieten hat – scheinbar simpel-frohe Ohrwurm-Songs, die aber an musikalischer Raffinesse kaum zu überbieten sind. Hier ein Break, dort ein Halbton-Schritt und ein Dur/Moll-Wechsel in den überwältigenden Harmoniegesängen – und dann das ganze wieder zurück. Klar, hat man schon tausendmal gehört. Aber Brian Wilson mit Band darf das trotzdem immer wieder und wieder spielen. Er hat’s ja schließlich erfunden.
Eine Sternstunde vor der Pause ist „Sail on, Sailor“ aus dem Holland-Album der Beach Boys. Wilsons neunköpfige, fantastische Live-Band macht daraus eine Hymne an die Musik. Boogie, Surf, Gospel vermischen sich, werden eins. Es ist eine Messe, angeführt von Hohepriester Wilson. Danach folgt „Wouldn’t it be nice“ vom legendären Pet-Sounds-Album – und wird zu einer weiteren Demonstration, wie man’s macht. Als Zugabe dann purer Rock’n’Roll: „Fun, Fun, Fun“ und „Surfin USA“ – der Serenadenhof feiert in Wilson eines der größten musikalischen Genies des Pop. Ohne Widerspruch. mm
- Themen: