Gespräch zu S-Bahn-Ausfällen: Ausleihe aus anderen Städten?

München (dpa/lby) - Mit den aktuellen Ausfällen von S-Bahnen in und um München hat ein schon länger angesetztes Krisengespräch neue Brisanz bekommen. "Da hilft das Bemühen um eine Tarifreform, um ein 365-Euro-Ticket, nicht weiter, wenn die S-Bahn gar nicht fährt", sagte der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) am Freitag. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft habe deutlich gemacht, dass das Thema bei der Bahn "ganz oben" angekommen sei. Und bei der Suche nach Lösungen solle etwa geprüft werden, ob S-Bahnen aus anderen Städten ausgeliehen werden, sagte er. Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) sagte: "Auf unser Drängen hat die Bahn einen Krisenstab eingerichtet. Wir erwarten, dass in der kommenden Woche das Ersatzkonzept steht und konkrete Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt werden."
Die Deutsche Bahn hatte angekündigt, dass unter anderem wegen fehlender Fahrzeuge bis Dezember bei den Linien S3 und S8 die "Taktverstärker" entfallen sollen, die in der Hauptverkehrszeit den Fahrplan auf einen 10-Minuten-Takt verdichten statt der üblichen 20 Minuten oder mehr. Auch bei der S2 und der S20 entfallen einzelne Züge. Rund 840 000 Menschen nutzen die S-Bahn pro Werktag.
Neben dem Krisentreffen, zu dem Niedergesäß schon im Juni - also vor den aktuellen Problemen - geladen hatte, stand am Freitag eine Verbundratssitzung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) an. Im Anschluss daran sagte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD): "Wie soll es hier gelingen, die Menschen vom eigenen Auto zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr zu überzeugen? Das ist nicht akzeptabel!" An die Adresse von Markus Söder (CSU) sagte er, der für die S-Bahn zuständige bayerische Ministerpräsident müsse dafür sorgen, dass sich der Zustand schnellstmöglich verbessert. Er sprach von einer "nicht zu akzeptierenden Zumutung für die sowieso schon leidgeplagten S-Bahn-Pendlerinnen und -Pendler".
Söder sagte dem "Münchner Merkur" (Freitag): "Die Bahn muss rasch ein Ersatzkonzept vorlegen." Er erwarte eine zeitnahe Lösung. "Zudem werden wir ernsthaft Vertragsstrafen gegenüber der Bahn prüfen."
Der mobilitätspolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Markus Büchler, sagte: "Das Schreckensszenario auf den S-Bahn-Linien 3 und 8 (...) verdanken wir einer katastrophalen Verkehrspolitik aus dem Hause Söder". Die Staatsregierung habe "jahrzehntelang den Ausbau der (S-)Bahn vernachlässigt und das System auf Verschleiß gefahren".
Niedergesäß sagte, die aktuellen Probleme seien "ein Symbol einer insgesamt etwas desolaten Situation, die wir bei der S-Bahn haben". Zwar habe sich in den vergangenen Jahren vieles verbessert. "Aber die Versäumnisse aus der Vergangenheit - S-Bahn nicht erweitert, Netz nicht erweitert, Stellwerke nicht saniert - rächen sich jetzt." So sei aktuell ein Hauptproblem die Baumaßnahmen am Werkstattgelände in Steinhausen, weshalb S-Bahnen nicht mehr so leicht in die Werkstatt kommen. "Das ist so in der Form bei der Vorbereitung wohl nicht gesehen worden", sagte Niedergesäß, der Sprecher der acht MVV-Verbundlandkreise ist. Mitte November sollen sich die Beteiligten in größerer Runde wiedertreffen. Dann wird es laut Niedergesäß auch um bessere Fahrgastinformationen und Schienenersatzverkehr gehen.