Gerichtsstreit um einen Hosenknopf

Die Zahl der Bagatellverfahren steigt. Das liegt auch an immer mehr Rechtsschutzversicherungen.
von  dpa

Die Zahl der Bagatellverfahren steigt ständig an. Das liegt auch an immer mehr Rechtsschutzversicherungen.

MÜNCHEN Im Streit um geringe Geldbeträge ziehen Menschen immer öfter vor Gericht. „Zivilverfahren mit einem Streitwert unter 600 Euro machen am Amtsgericht München ein Drittel aller Fälle aus”, sagt Gerichtspräsident Gerhard Zierl.

Diese Zahl dieser Verfahren sei binnen etwa vier Jahren von jährlich rund 10000 auf mittlerweile 12000 gestiegen. „Das zeigt mir, dass man durchaus auch bei kleinen Beträgen auf seiner Rechtsposition beharrt”, so Zierl.

Die Kosten für das Verfahren liegen weit höher als die Beträge, um die gestritten wird. Bei einem Streitwert von 40 Euro fallen mehrere hundert Euro für Anwälte an – dennoch liegen die Gerichtskosten nur bei 75 Euro. „Es ist klar, dass die Gerichte Verfahren mit diesen geringen Streitwerten nicht kostendeckend bearbeiten können”, sagt Zierl. Die Kosten für Richter oder Geschäftsstellen liegen beim Steuerzahler.

Dennoch ist für Zierl klar: „Das ist ein Aufwand, der im Sinne des Rechtsstaats zu tragen ist. Es wäre sicher falsch zu sagen: Man darf nur ab 50 oder 100 Euro klagen, denn dann würden vielleicht Beträge unter diesen Summen nicht mehr bezahlt.”

Manchmal entstehe freilich der Eindruck: „Der Deutsche will sein Recht, koste es, was es wolle. Aber wir stellen uns dieser Aufgabe unabhängig vom Streitwert.”

Derzeit streiten vor dem Amtsgericht ein Elektriker und seine Kundin um pauschale Anfahrtskosten von 41,65 Euro – dabei geht’s um 40 Meter. „Es ist noch nicht entschieden”, sagt Zierl.

Mancher schüttele bei solchen Gerichtsverfahren zwar den Kopf. „Es kann aber durchaus interessant sein, allgemein festzustellen: Darf man solche pauschalen Anfahrtskosten festlegen – und wie ist es in diesem Einzelfall?”

In einem weiteren Fall ging es vor dem Amtsgericht sogar um zehn Cent – für einen Hosenknopf. „An einer im Internet gekauften Jeans fehlte ein Knopf. Nachdem der Verkäufer den Betrag nicht zurücküberwies, wurde geklagt.” Der Kläger gewann den Streit, weil der Beklagte die Klageerwiderung versäumt hatte.

Ein Grund für die Zunahme der Bagatellverfahren sieht Zierl auch in den immer weiter verbreiteten Rechtsschutzversicherungen: „Ich verstehe, dass derjenige, der eine Rechtsschutzversicherung hat, diese auch einmal in Anspruch nehmen will.”

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