Genügend Lehrer oder nicht? - Flüchtlingszahlen entfachen Streit

Die große Zahl von Flüchtlingen stellt auch das Schulsystem vor große Herausforderungen. Kultusminister Spaenle sieht Bayerns Schulen gut gerüstet - im Gegensatz zum Lehrerverband BLLV und der Opposition.
von  dpa

München - Angesichts der aktuellen Rekord-Flüchtlingszahlen streiten Kultusministerium, Opposition und Lehrervertreter, ob die bayerischen Schulen für das kommende Woche beginnende Schuljahr ausreichend gerüstet sind. "Wir können am Dienstag gut starten", sagte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in München und verwies auf viele zusätzliche Übergangs- und Förderklassen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) beklagte dagegen eine unzureichende Personalausstattung der Schulen. Die Opposition forderte bis zu 1000 zusätzliche Lehrer.

Die Schulen in Bayern stehen aktuell vor der Herausforderung, viele schulpflichtige Flüchtlinge aufzunehmen und zu unterrichten. Mit wie vielen zusätzlichen Schülern man bis zum Jahresende insgesamt rechnen müsse, konnte Spaenle zwar noch nicht sagen. Er sprach aber von einer Zahl "im Zehntausenderbereich". Darauf werde man flexibel reagieren.

Spaenle erläuterte, die Zahl der Übergangsklassen an Grund- und Mittelschulen, die den Kindern den Einstieg erleichtern sollen, werde von 300 zu Beginn des vergangenen Schuljahres auf nunmehr 470 erhöht. Darüber hinaus gebe es Deutschförderklassen und –förderkurse. Und an den Berufsschulen werde es 440 Berufsintegrationsklassen geben - vor einem Jahr waren es noch gut 180. Gegebenenfalls könnten aber auch zum Halbjahr noch weitere Klassen gebildet werden. Auch in den Verhandlungen über den Nachtragshaushalt 2016 dürfte die Schulpolitik angesichts der vielen Flüchtlinge eine ganz zentrale Rolle spielen.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann kritisierte, für den regulären Unterricht reiche es zu Beginn des Schuljahres zwar, Zusatz- und Förderangebote werde es aber vielerorts nicht geben. "Zusätzliche Angebote wie Arbeitsgruppen, Förderstunden oder Differenzierungen sind an vielen Schulen nicht möglich", klagte sie. Viele Schulleitungen verfügten zudem über keinerlei Reserven, so dass es im Laufe des Schuljahres bei der Lehrerversorgung eng werden könne.

Ohnehin seien die Schulen nur unzureichend auf die große Zahl von Flüchtlingskindern vorbereitet. "Da mangelt es an allem, zum Beispiel an Dolmetschern, an Pädagogen, an Psychologen und an zusätzlich unterstützendem Personal." Fleischmann forderte mehr Lehrerstellen und mehr Geld für die Schulen im Nachtragshaushalt. "Die vielfältigen Zusatzaufgaben in den Schulen können nicht mit den zugeteilten Lehrerstellen geleistet werden", erklärte die BLLV-Präsidentin. Dazu müsse deutlich mehr Geld in die Hand genommen werden. "Gute Schule steht und fällt mit einer guten Ausstattung. Wie sonst sollten die Herausforderungen im kommenden Schuljahr bewältigt werden?"

Auch die Opposition forderte dringend mehr Lehrer, um die wachsende Zahl von Flüchtlingskindern zu bewältigen. "Wir müssen dafür sorgen, dass diese Kinder möglichst schnell Deutsch lernen und in den Unterricht integriert werden. Das ist einer der Kernpunkte der gesamten Integration der Zuwandererfamilien", erklärte der SPD-Bildungsexperte Martin Güll. Seine Forderung: "Wir müssen jetzt zunächst einmal 200 bis 300 fertig ausgebildete hoch qualifizierte Lehrkräfte, die ohne Job sind, einstellen und sie zur Betreuung von oft traumatisierten Flüchtlingskindern weiterbilden." Am ersten Schultag nächste Woche sei wahrscheinlich genug Personal vorhanden, aber die Zahl der Flüchtlinge wachse ja weiter, betonte Güll.

Die Freien Wähler forderten sogar 1000 zusätzliche Lehrerstellen. Die entsprechenden finanziellen Mittel dafür müssten im Nachtragshaushalt bereitgestellt werden, sagte der bildungspolitische Sprecher Günther Felbinger. Er schlug zudem vor, die bisherigen Übergangsklassen in "Willkommensklassen" umzubenennen. Schulpflichtige Flüchtlinge und Asylbewerber sollen darin zügig die deutsche Sprache erlernen, damit sie bald in reguläre Klassen wechseln könnten. Zudem forderte Felbinger, mehr Schulpsychologen an bayerischen Schulen einzusetzen.

Die Grünen forderten die Einstellung 1000 neuer Deutschlehrer, die bayernweit zur systematischen Sprachförderung in allen Schularten eingesetzt werden könnten. "Lange Diskussionen sind das letzte, was wir jetzt brauchen – schnell handeln und Geld in die Hand nehmen, das muss die Devise sein", betonte der Bildungsexperte Thomas Gehring.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.