Geltendorf: Der Räuber aus dem Hotel Mama
Türkenfeld - Das Haus am Ortsrand hat einen traumhaften Blick auf die Berge. Der Garten ist in Schuss, die Garage aufgeräumt, das weiße Haus gepflegt. Eine solide Gegend in Türkenfeld.
Wer hier wohnt, schießt nicht auf die Polizei.
Jürgen P. hat es getan: Am Samstag ballert er bei einer Kontrolle in einem Wald bei Geltendorf auf Streifenpolizisten und verletzt einen Hauptmeister (43). Die Beamten töten Jürgen P. per Kopfschuss.
Er soll der „Waldläufer“ sein, der seit 2010 mindestens acht Mal Bäckereien, Tankstellen und Supermärkte im Umland überfallen hat. Jedesmal flüchtete er danach in den Wald – daher der Name.
Allein im Wald. Das passte zu Jürgen P. „Er war wie eine Schnecke“, sagt eine Nachbarin. „Der verkroch sich.“ Früher hatten sie und ihr Mann viel Kontakt zur Familie, „dann haben sie sich immer mehr zurückgezogen“.
Der schlaksige Jürgen P. sei ein „komischer Kauz gewesen“, sagt ihr Mann. „Er hatte keine Freunde, keine Freundin.“ Am Stammtisch heißt es: „Er war nirgendwo integriert, in keinem Verein. Auch nicht im Schützenverein“ Ein Mann, der in der gleichen Straße wohnt, hat ihn „vor etwa 20 Jahren zum letzten Mal gesehen“.
Der 49-Jährige wohnte bei seinen Eltern. Er hatte eine eigenen Wohnung im ersten Stock. Mit Balkon. Die Eltern lebte unter ihm.
1979 bauten der Fensterbauer Franz P. (83) und seine Frau Anne (75) eines der ersten Häuser in der Straße. Ihr einziges Kind Jürgen P. war da 15 Jahre alt. Er ging auf die örtliche Volksschule und auf die Realschule in Stockdorf, erzählen Nachbarn. Jürgen P. war nach der Schule beim Roten Kreuz und machte eine Lehre als Versicherungskaufmann in Schwabing. Seine Mutter nennt Jürgen P. nur einen „Finanzbuchhalter“.
Trotz des Jobs in München zog Jürgen P. nie weg. Ein Leben im Hotel Mama – unter Waffen: Hier hortete der schlaksige Mann Pistolen, Munition und Tränengas. Die Eltern wussten davon. Auch das Tatfahrzeug, in dem Jürgen P. im Wald erwischt wurde, stammt aus der Familie: Jürgen P. hatte den Mitsubishi von seinem Vater übernommen, sagt ein Nachbar.
Ob das Haus noch der Familie gehört, ist unklar. Jürgen P. hatte sehr große Geldprobleme: Die Mutter sagt, ihr Sohn sei in „Geldnot“ gewesen. Jemand habe ihn betrogen. „Die Schulden haben wir übernommen“. Im Dorf spricht man dagegen von „Spielschulden“. Nachbarn sagen: „Er hat alles im Internet verspielt.“ Vor zwei Jahren sei das Haus deshalb versteigert worden. „Das wurde unten im Dorf angeschlagen“, sagen sie.
Wollte Jürgen P. mit den Überfällen Geld machen? Davon will seine Mutter nichts wissen. Das seien „unverschämte Lügen“. Dann will Anne P. nichts mehr zu ihrem toten Sohn sagen. „Meinen Mann hat das alles sehr mitgenommen.“
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