Gelächter vor dem Untergang
BAYREUTH - Bayreuths „Ring“ zum Dritten: Im „Siegfried“ überzeugt völlig nur Christian Thielemann.
Herrschaften in großer Abendgarderobe, die mit Heißhunger ins Bratwurst-Weckla beißen — Szenen wie diese verleihen dem Treiben auf Bayreuths Grünem Hügel zwischen Wagnerianer-Fachsimpeleien und Kleiderschau etwas Menschliches. Das passt zu Richard Wagners „Ring des Nibelungen“, wo sich zwar lauter Götter, Riesen, Zwerge und Helden lieben und bekriegen, nebenbei aber menschlich-allzumenschlich reagieren und so alles auf den Abgrund zuläuft.
„Siegfried“ jedoch ist das große Durchatmen, das befreiende Gelächter und die selige Liebeswonne vor dem Untergangssturm. Christian Thielemann setzt im Geplänkel zwischen Siegfried und Mime mit langen Generalpausen Akzente, lässt den Wald flirren und die Vögel zwitschern, dass es eine naturalistische Lust ist und treibt sein Festspiel-Orchester hitzig in den Vereinigungstaumel.
Schmidt gleicht fehlende stimmliche Beweglichkeit mit Spielwitz aus
Neuzugang Christian Franz stemmt die riesige Titelpartie, schlägt sich pannenfrei, aber ohne Glanz. Den verströmt Linda Watsons Brünnhilde — bis sie die Spitzentöne verfehlt und damit dem ekstatischen Liebesfinale etwas vom Happy End nimmt.
Wolfgang Schmidt, einst Star des Nürnberger Taschen- „Ring“ der Pocket Opera, gleicht als Mime fehlende stimmliche Beweglichkeit mit Spielwitz aus, Albert Dohmen strömt angenehm warm als Wanderer, der sich mit Mime das Rätsel-Duell an einer Tafel im Schulzimmer liefert. Die witzige Idee passt zum verkrachten Lehrer-Schüler-Verhältnis von Mime und Siegfried. Aber sie bleibt eine Ausnahme in Tankred Dorsts Inszenierung von 2006, die jegliche Spannung durch plumpe Personenführung, belanglose Aktualisierungsansätze und einen peinlichen Drachenkampf verschenkt.
Georg Kasch
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