Geiseldrama am Ararat: Entführer stellen Bedingungen
MÜNCHEN, BERLIN - Tag drei im Geiseldrama um die drei in der Türkei entführten Bergsteiger aus Bayern. Erstmals haben sich die Entführer (sie gehören der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK an) in einer Mitteilung geäußert. Zum Motiv gibt es neue Spekulationen.
Knapp 48 Stunden nach der Entführung der drei Bergsteiger aus Bayern hat die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) der Bundesregierung Bedingungen für deren Freilassung gestellt. Die Bundesregierung müsse ihre „feindliche Politik“ gegenüber der PKK und dem kurdischen Volk einstellen, hieß es in einer Erklärung, die die PKK-nahestehende Nachrichtenagentur Firat am Donnerstag verbreitete. Einzelheiten zu der „feindlichen Politik“ wurden nicht genannt.
Den Entführten gehe es gut, hieß es weiter. Das türkische Militär wurde aufgefordert, seine Operationen am Berg Ararat einzustellen, da dies das Leben der Geiseln gefährde. Die Behörden hatten am Donnerstag den Berg im Osten des Landes für Touristen gesperrt.
Verschleppt auf 3200 Metern
Fünf PKK-Kämpfer hatten am Dienstagabend die drei aus Bayern stammenden Männer aus einem Camp am Ararat auf 3200 Metern Höhe verschleppt. Die drei Entführungsopfer sind zwischen 33, 47 und 65 Jahren alt. Die zehn anderen Mitglieder der Gruppe kehrten in die Stadt Dogubayazit zurück.
"Ich glaube, das geht gut aus"
Die Schwester von Helmut H., eines der Entführungsopfer, zeigte sich der Nachrichtenagentur AP gegenüber zuversichtlich, dass die Geiselnahme ein gutes Ende nehmen wird. «Ich glaube das geht alles gut aus. Mein Bruder ist da sehr, sehr abgeklärt», sagte Elfriede H. am Donnerstag. «Ich traue mich wetten, dass ihm seine durchdachte und menschliche Art helfen wird.»
H. habe als Bergsteiger bereits Touren in verschiedenste Länder wie Bolivien und Tibet organisiert und sei sehr erfahren. «Er bewahrt immer einen kühlen Kopf», betonte sie. H. ist Vorstand der Alpenvereins-Sektion Kehlheim, die die Bergtour organisiert hat. Nach ihren Informationen habe sich ihr Bruder freiwillig als Geisel zur Verfügung gestellt, sagte H. - wohl auch, weil er sich als Organisator der Gruppe verantwortlich gefühlt habe und die Anderen schützen wollte. «Mein Bruder hat da gleich versucht, eine Verhandlungsbasis aufzubauen», erzählte sie. Zum Rest der Reisegruppe gehöre auch ihr Neffe Klaus H., der Sohn des Entführten.
Die ersten Informationen über den Überfall und die Entführung sollen von einer bayerischen Kriminalbeamtin stammen, die Mitglied der Reisegruppe sei. Sie habe gleich nach der Entführung ihre Dienststelle telefonisch informiert. Der Deutsche Alpenverein (DAV) teilte mit, die Entführten seien Mitglieder der DAV-Sektion Kelheim.
Als Motiv für ihre Tat verwiesen die Entführer auf die harte Haltung Deutschlands gegenüber der PKK, wie das ARD-Hauptstadtstudio unter Berufung auf Aussagen der Gefährten der Verschleppten berichtete. Als Beispiele hätten die Entführer das deutsche PKK- Verbot 1993 und die Aufnahme der PKK in die europäische Terrorliste genannt.
Mögliches Motiv: Verbot des Fernsehsenders
Eine Rolle könnte auch das am 19. Juni 2008 vom Bundesinnenministerium verhängte Betätigungsverbot für den kurdischen Fernsehsender Roj-TV gespielt haben. Der in Dänemark ansässige Sender diente nach Ansicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble als Sprachrohr der verbotenen PKK. Die in Wuppertal beheimatete TV- Produktionsgesellschaft Viko Fernseh Produktion GmbH wurde aufgelöst.
In einem «Aktuellen Hinweis» rät das Auswärtige Amt auf seiner Webseite von Reisen in die südosttürkischen Provinzen Hakkari, Sirnak und Mardin sowie das Gebiet um Siirt dringend ab. «Infolge der deutschen Maßnahmen gegen den PKK-nahen kurdischsprachigen TV-Sender Roj-TV liegen Gefährdungshinweise für die Provinzen Hakkari, Sirnak und Mardin vor. Es ist nicht auszuschließen, dass Deutsche, insbesondere Individualreisende, in diesen Provinzen Opfer von Racheaktionen (Anschläge, Überfälle, Entführungen) durch PKK- Terroristen werden könnten», heißt es.
Der Große Ararat ist mit 5165 Metern der höchste Berg der Türkei. Zwischen 1992 und 2000 war der Berg wegen der PKK-Aktivitäten in der Region gesperrt, ist aber seit 2000 für Ausländer wieder zugänglich. Der Ararat ist ein beliebtes Ziel für Bergsteiger. Schon in der Bibel wurde das Massiv erwähnt: Auf dem Gipfel des Ararat soll die Arche Noah nach der Sintflut gelandet sein. (dpa, AP, nz, AZ)