Geiseldrama am Ararat: Die Angst der Angehörigen
ABENSBERG - Hoffen und Bangen im Drama um die drei entführten bayerischen Bergsteiger. Die Familien der Geiseln stehen unter Schock – oder wissen noch gar nichts von der Katastrophe: Jetzt stellt die PKK politische Forderungen für ihre Freilassung.
Von Torsten Huber und Anne Kathrin Koophamel
Kleine Einfamilienhäuser, gepflegte Vorgärten, kein lärmender Autoverkehr. Zwei Polizeibusse parken vor einem weißen Flachbungalow in Abensberg (Kreis Kelheim). Hier wohnt Helmut H. (65), einer der drei in der Osttürkei entführten Bergsteiger. „Die Familie möchte mit niemanden sprechen“, sagt ein Polizist höflich aber bestimmend. Die Familie steht unter Schock.
Aber nicht nur die engsten Verwandten bangen um das Leben von Helmut H. „Die ganze Stadt ist unglaublich betroffen“, sagt Bürgermeister Uwe Brandl (CSU). Die rund 15000 Einwohner kannten ihn. „Jeder kennt hier jeden“, sagt Brandl, der H. erst 2007 mit der Goldenen Verdienstmedaille der Stadt Abensberg ausgezeichnet hatte. Eine Auszeichnung für seine langjährige verantwortungsvolle Tätigkeit als Stadtrat und für seinen Einsatz als Vorsitzender des Deutschen Alpenvereins.
"Ich glaube, das geht gut aus"
Helmut H., der erst vor wenigen Tagen Geburtstag hatte, war mit zwölf Bergsteigern aus seiner Sektion in die Osttürkei geflogen. Sie wollten den Berg Ararat (5165 Meter) besteigen. Als sie im Yeil-Gebiet (3200 Meter) am Dienstagabend ihr Nachtlager aufschlugen, wurden sie gegen 23 Uhr von PKK-Mitgliedern überfallen. Helmut K. sowie die beiden Kletterkameraden Martin Sch. (47) und Lars Holger R. (33) wurden verschleppt.
„Ich glaube, das geht alles gut aus. Mein Bruder ist da sehr, sehr abgeklärt. Ich traue mich wetten, dass ihm seine durchdachte und menschliche Art helfen wird“, sagte die Schwester des Entführungsopfers gegenüber AP.
Helmut H. war 33 Jahre Ingenieur beim Raffineriekonzern BayernOil (880 Mitarbeiter). Bis zu seiner Pensionierung 2006 war er Produktionsleiter im Betriebsteil Vohburg. Konzern-Sprecherin Kirsten Pilgram zur AZ: „Die Nachricht war ein Schock. Das macht uns alle sehr betroffen.“
Denn nicht nur Helmut H., der für BayernOil als freier Mitarbeiter im Großprojekt „ISAR“ eingebunden ist, arbeitet bei der Raffinerie. Sein Sohn Klaus, der auch bei der Bergtour dabei ist, und Entführungsopfer Martin Sch. (47) sind bei BayernOil tätig.
Mit Überstunden die Bergtouren finanziert
Martin Sch. hat ein kleines Haus in Gerolfing bei Ingolstadt. Mit seinem Audi fuhr er morgens schon sehr früh in die Arbeit, machte viele Überstunden, um seine Bergtouren zu finanzieren. Die Nachbarn kannten ihn kaum. „Der hat gegrüßt, war dann aber gleich wieder weg“, sagte eine Nachbarin. Ein Haus weiter erinnert sich ein älteres Ehepaar: „Der wohnte seit Anfang der 90er Jahre hier. Der hat nie an seinem Haus was gemacht.“
Ein Frau erzählt: „Ich habe für ihn immer den Weg vor seinem Haus geräumt. Dafür kam er Weihnachten, brachte mir immer eine Flasche Sekt und einen Likör und wünschte uns frohe Weihnachten.“ Martin Sch. liebt den Sport. Er ist nicht nur begeisterter Bergsteiger, sondern Radfahrer und Gleitschirmflieger. „Zeit für eine Frau hatte er nicht“, sagt eine andere Nachbarin.
Die Ehefrau weiß noch nichts
Ein Familienmensch ist dagegen der 33-jährige Ingenieur Lars Holger R. Er ist vor einem Jahr von Kelheim nach Laufen, nahe der österreichischen Grenze gezogen. Dort wohnt er mit seiner jungen Familie in einem Mehrfamilienhaus. Zuvor arbeitete auch er bei BayernOil als Ingenieur. Seine Frau macht derzeit mit ihrem Kind (9 Monate) in ihrer Heimat Bulgarien Urlaub – sie weiß noch nicht, dass ihr Mann in der Türkei entführt wurde.
Unterdessen hat der Deutsche Alpenverein gestern vier Männer der Bergwacht in die Provinz Agri geschickt. „Unser Kriseninterventionsteam soll die zehn Personen, vor allem psychisch betreuen“, sagt Martin Wagner von Deutschen Alpenverein München. Den Bergsteigern gehe es gut, auch wenn die Angst um ihre Kameraden „eine große Belastung ist“. Wichtig sei, dass sie das traumatische Erlebnis schnell verarbeiten. „Unsere Männer sind speziell dafür ausgebildet“, sagte Wagner.