Geheimnisvolle Orte: So schön schaurig ist Bayern

München - "Spuk in Bayern: Mysteriöse Orte und Begegnungen" (16,95 Euro) ist vor Kurzem im Verlag Carl Ueberreuter erschienen. Die AZ mit der Autorin gesprochen
AZ: Frau Hasmann, spukt es in Bayern denn wirklich?
Gabriele Hasmann: Nicht nur in Bayern! Geister – in meiner Begrifflichkeit handelt es sich dabei um die Seelen Verstorbener – können Zeit und Raum überwinden und sind daher immer und überall. Es existiert dabei personen- und ortsgebundener Spuk – das heißt, jeder von uns ist von Wesen aus der Zwischenwelt oder dem Jenseits umgeben, und sie gehen dorthin, wohin auch wir gehen. Zugleich sind vor allem mystische Orte, alte Gemäuer wie Burgen sowie Schauplätze tragischer Unglücksfälle oder grausamer Verbrechen stets sehr "beseelt".
Sie haben bereits Spukgeschichten über Österreich, die spukenden Habsburger oder geheimnisvolle Orte in Wien und Salzburg geschrieben. Wie unterscheidet sich der bayerische Spuk vom österreichischen?
Spuk ist auf der ganzen Welt gleich und unterscheidet sich nicht voneinander. Wir Menschen nehmen ihn nur verschieden wahr und/oder legen ihn verschieden aus – je nach Traditionen und Erfahrungen.
Warum gruseln wir uns überhaupt so gerne?
Menschen gruseln sich gerne, weil der Gänsehautmoment mit einem kleinen Adrenalinausstoß verbunden ist. Adrenalin setzt Endorphine frei, das wiederum macht uns happy.
Das ist alles – es geht nur um das Adrenalin?
Paranormale Phänomene sind außerdem der Beweis dafür, dass es nach dem Leben weitergeht – in welcher Form auch immer. Und wer möchte nicht mit seinen Erfahrungen und Gefühlen sowie mit seinem erworbenen Wissen weiterexistieren, nachdem die äußerliche Hülle ihr Ablaufdatum erreicht hat?
Also haben alle Spukgeschichten einen ähnlichen Ursprung?
Die Regel, die dahintersteckt, ist auf der ganzen Welt dieselbe: Sterben Menschen, wandern sie entweder ins Jenseits und kommen immer wieder auf Besuch. Das sind die glücklichen Seelen, die nicht mehr ans Diesseits gebunden sind, aber jederzeit hierher wechseln können. Oder sie kommen in die Zwischenwelt. Das sind die unglücklichen Seelen, die noch an ihrem irdischen Dasein haften, etwa durch starke Emotionen wie Rache, Hass, Liebe … Oder weil sie zu schnell aus dem Leben gerissen wurden, oder solche, die noch etwas zu erledigen haben.
Sie warnen davor, Schauplätze unerlaubt zu betreten. Erfahren solche Gruselorte oder auch die "Lost Places" in letzter Zeit mehr Aufmerksamkeit als vor zehn, 20 Jahren? Vertreibt dieser Gruseltourismus nicht die Geister?
Geister lassen sich nicht vertreiben, sie kommunizieren nur nicht mit respektlosen Störenfrieden – außer, um sie zu beschimpfen, ähnlich den Naturgeistern. Allerdings können solche Menschen die Schwingungen der feinstofflichen Ebene ohnehin nicht empfangen und werden davon nichts bemerken. Erwartungshaltungen wirken dem Spuk zwar nicht direkt entgegen, sie werden nur häufig enttäuscht. Verlassene Orte oder Gruselorte üben schon immer eine Faszination auf Menschen aus – wir sind wieder beim Adrenalin. Zudem haben viele dieser Orte eine ruhige, mystische, verzauberte auch manchmal sehr idyllische Atmosphäre, die sich besonders gut zum Abschalten und Entfliehen aus dem hektischen, meist lauten Alltag eignet und in eine andere Welt eintauchen lässt.
Welche Recherchetour in Bayern war besonders spannend für Sie?
Ich bin besonders gerne auf den Spuren der Wittelsbacher gewandelt – vor allem der durchaus etwas schrullige Märchenkönig Ludwig II. hat es mir angetan. Nach meinem Buch „Habsburgs schräge Vögel“ bin ich ja Fan hoher Adeliger, die nicht so verzopft sind wie die meisten ihrer Verwandten.
Oberbayern: Wo der Märchenkönig das Glück und den Tod fand
Wo? Schloss Berg liegt am Ostufer des Starnberger Sees in der Gemeinde Berg.
Wer spukt hier? Kein geringerer als der Märchenkönig, der von seinem geliebten Rückzugsort 1886 an den See spazierte – und bekanntermaßen dort unter mysteriösen Umständen den Tod fand. Aber auch vorherige Bewohner des kubischen Baus sollen noch erscheinen. Heute gehört Schloss Berg dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds und ist nicht zu besichtigen.
Wie sieht der Spuk aus? Laut Recherchen von Gabriele Hasmann berichten Hellsichtige "von einer Art Dauerschleife, die den König in den letzten Momenten vor seinem Tod zeigt", wie in einem Stummfilm. Ein weiteres paranormales Phänomen sei an der Stelle, an der König Ludwig II. gestorben ist, direkt am See, zu beobachten. Der Wittelsbacher tauche dort als eine Art Wassergeist auf, der zerfließt, sobald man sich nähert.
Oberpfalz: Wie ein Nebelstreif: Die weiße Frau von Wolfsegg
Wo? Burg Wolfsegg liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich von Regensburg auf einem hohen Felskegel über Wolfsegg. Sie wurde nie zerstört und verfügt über eine Tropfsteinhöhle im Felsen unterhalb des Baus, der wohl in der Mitte des 14. Jahrhunderts entstand.
Wer spukt hier? Eine weiße Frau, bei der es sich um Klara von Helfenstein handeln könnte. Sie war laut Hasmann die Frau des Burgherrn Ulrich von Laaber – die er erstechen ließ, nachdem sie sich in einen Verehrer verliebt hatte. Danach soll er sie im Burghof verscharrt haben. Und tatsächlich: Laut der Spuk-Autorin ist dort Verwesungserde gefunden worden.
Wie sieht der Spuk aus? Georg Rauchenberger, Maler und Burgliebhaber, hat das Gebäude in den 1930er Jahren gekauft und restauriert. Ein Freund Rauchenbergers schildert im Buch, er sei dabei gewesen, als Rauchenberger 1973 den Geist der weißen Frau gesehen habe – auf dem Burghof als eine Art Nebelstreifen. Aber auch Nachbarn und ein Ehepaar, das als Hausmeister auf der Burg wohnte, berichten von einer weißen Gestalt, die sie beobachtet hatten. Auch schauerliche Geräusche und Gerüche sollen plötzlich wahrzunehmen sein, meist im Burginnenhof. Dort, wo Klara einst begraben wurde.