Gegen das Klischee der "Trottelsprache": Lehrer will Bairisch bewahren

München – Niklas Hilber (44) sagt über sich selbst, dass er ein "romantischer Mensch" sei. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das südhochdeutsche Lieblingswort des neuen Vorsitzenden des Vereins "Bund Bairische Sprache" der Begriff "Zeitlang" (Sehnsucht) ist.
Hilber, der in der Gemeinde Oberau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) lebt, arbeitet als Deutsch- und Geschichtslehrer an der Fachoberschule in Weilheim und ist seit 2013 Mitglied des Vereins. Zuvor war er von 2012 bis 2016 Vorsitzender des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte Landschaftsverband Werdenfels-Ammergau-Staffelsee.
"Die bairische Sprache muss als wertvolles Kulturgut hervorgehoben werden"
Weil sich dieser Verein immer "mehr zum Folklorismus" entwickelte, trat Hilber aus. "Der Förderverein ist für die Sprachrätsel auf der Oidn Wiesn auf dem Oktoberfest verantwortlich. Beispielsweise 'Wampnhoidda' statt 'Hosenträger'."
Das habe laut Hilber nichts mit bairischer Sprachkultur zu tun, vielmehr sei das "Witzpostkarten-Niveau". "Hier wird ein Klischee eines Bayern vermittelt, das nichts mit der 1300-jährigen Sprach- und Literaturgeschichte des Landes zu tun hat." Er ist der Ansicht, dass sich der Bayer freiwillig selbst diskriminiere, sich als Selbstkarikatur darstelle. "Bairisch wirkt in dem Fall wie eine Trottelsprache, dabei muss Sprache als wertvolles Kulturgut hervorgehoben werden", moniert er.
In Sprachkursen: Hilber will Südhochdeutsch fördern
Aus diesem Grund setzt sich Hilber als Vorsitzender mit den etwa insgesamt 170 Vereinsmitgliedern nicht dafür ein, dass das Bairische der Gegenwart konserviert wird.

Das Ziel: "Das Bewusstsein der gegenwärtigen und künftigen Sprechergenerationen so zu beeinflussen, dass das dialektale Selbstbewusstsein gestärkt wird." Auf diese Weise beeinflusse man den Sprachprozess ins Pro-Bairische, sodass es auch in Zukunft eine regional-typische Form der deutschen Sprache in Alt-Bayern (Oberbayern, Niederbayern und die Oberpfalz) gebe.
Ein weiteres Anliegen Hilbers ist es, dass der Freistaat das regionale Südhochdeutsch fördern solle. "Denn Dialekt ist Privatsache", so der Vorsitzende. Konkret heißt das laut Niklas Hilber: Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die aber beispielsweise aufgrund ihres Jobs nach Bayern ziehen, sollten vor Ort in Sprachkursen kein Nordhochdeutsch lernen, sondern Südhochdeutsch. "Sie sollten 'Weiher' statt 'Teich' sagen oder 'gescheit' statt 'klug'", schlägt Hilber vor. Er ist davon überzeugt, dass damit die sprachliche Vielfalt gestärkt und bewahrt werde. "Schließlich haben wir eine föderale Kultur und Geschichte in Deutschland."
Schulen: Wissen vermitteln im bairischen Dialekt
Wenn Hilber vor seiner Schulklasse steht und Wissen vermittelt, dann spricht er laut eigener Aussage "Südhochdeutsch". "So wie es in Alt-Bayern gebräuchlich ist", sagt der neue Vereins-Vorsitzende und hat auch gleich ein Beispiel parat: "Sonne spreche ich mit stimmlosem 'S' aus." Wenn er informelle Gespräche führt, dann spricht er bairischen Dialekt.
"Meine Schüler und Schülerinnen wissen anhand der Sprache genau, welche Situation gemeint ist: Ob es um Unterrichtsstoff geht oder ob ich ihnen so etwas mitteilen will", erklärt Hilber. Ohne Schwierigkeiten kann er zwischen Südhochdeutsch und Dialekt wechseln.
Auch seine Schüler sprechen einen Mix. "Sie sagen auf Nordhochdeutsch beispielsweise 'Ich geh' mal hoch, kucken.' 'Hoch' statt 'hinauf' oder 'herauf', und 'kucken' statt 'schauen'." Andere wiederum reden auch Werdenfelserisch, weil sie aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen kommen." Und die letzte Gruppe, die aus dem ländlichen Raum von Weilheim komme, verwende häufig bairisch geprägtes Umgangsdeutsch. Dass Eltern sich bei Hilber beschweren, weil ihre Kinder auch in der Schule Mundart reden oder zwischen dieser und Hochdeutsch hin und her wechseln, habe der Lehrer bisher noch nicht erlebt.
Dialekte müssen gepflegt und erhalten bleiben
Niklas Hilber thematisiert die deutsche Sprachgeschichte sogar in seinem Unterricht. "Wir reden anhand von ausgewählten Texten über das bairische Deutsch des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters, aber auch über Plattdeutsch."
Für Hilber ist jeglicher Dialekt wertvoll – nicht nur der bairische, den es gelte zu erhalten und weiterzugeben. Und das aus einem ganz simplen Grund: "Weil sprachliche Vielfalt auch ästhetische Vielfalt ist. Die Schönheit der Sprache ist immer besser als Homogenität."