Gedenken an "Glücksmoment" des Mauerfalls

Wie damals: Eine lange Schlange von Trabis macht sich auf den Weg und durchbricht die Mauer. In Mödlareuth, dem einst geteilten Dorf an der thüringisch-bayerischen Grenze, wird die Wendezeit nach 30 Jahren noch einmal lebendig.
dpa |
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Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Mauerfalls fährt eine Trabi-Kolonne durch die Maueröffnung. Foto: Nicolas Armer/dpa
dpa Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Mauerfalls fährt eine Trabi-Kolonne durch die Maueröffnung. Foto: Nicolas Armer/dpa

Mödlareuth/Hof - Symbolträchtige Gesten, Freudenfeste und tragende Worte von Politikern: An der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze haben Menschen aus Ost und West am Samstag den Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs vor exakt 30 Jahren gefeiert. "Die deutsche Einheit war für mich das schönste politische Erlebnis, das ich in 50 Jahren Politik hatte", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Samstag im oberfränkischen Hof. Im einst geteilten Dorf Mödlareuth (Kreis Hof) durchbrach ein Trabikorso symbolisch die Mauer.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sowie Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) hatten zuvor an den Mut der Revolutionäre in der DDR erinnert. Aus anfänglichen Bürgerinitiativen sei 1989 eine Volksbewegung geworden, die sich gegen die SED-Diktatur stellte und die die Mauer von Ost nach West buchstäblich eindrückte, sagte Herrmann am Samstag in Mödlareuth.

Söder hatte sich mit einer Videobotschaft an die Bevölkerung gewandt und die Menschen der damaligen DDR als würdig für den Friedensnobelpreis bezeichnet. "Diesen Mut, diese Bereitschaft, durch viele Demonstrationen in einer völlig unsicheren Situation ein System von innen heraus zu brechen, ist eine unglaubliche, vielleicht die größte Leistung, die auf deutschem Boden je geschehen ist", sagte er.

Herrmann betonte: "Keiner vermochte damals zu sagen, ob die Rufe nach Freiheit nicht wie die Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking mit Waffengewalt blutig erstickt würden." Die Wende sei auch eine christliche Revolution gewesen. Ihre Anfänge habe die friedliche Revolution in den Kirchen genommen, "denn nur dort hatte die freie Meinungsäußerung in der DDR ein Heimrecht", betonte Herrmann.

30 Jahre nach dem Fall der Mauer müsse heute aber die Wertebasis des wiedervereinigten Deutschlands gegen Rechts- und Linksextreme, gegen radikale Islamisten und "geistige Brandstifter" verteidigt werden, mahnte Herrmann. "Wir brauchen wieder mehr Zusammenhalt im Land, mehr Mut und Zuversicht. Es darf keine neuen Mauern und Grenzen in den Köpfen geben." Nach der Rede des Ministers durchbrach ein Korso aus historischen DDR-Fahrzeugen wie Trabants, Wartburgs und Barkas symbolisch noch einmal eine aus Styropor wieder aufgebaute Mauer.

Das 50-Einwohner-Dorf Mödlareuth an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen war wie Berlin jahrzehntelang durch eine Mauer in zwei Hälften geteilt. Auf 100 Metern ist das über drei Meter hohe Bauwerk samt Stacheldraht und Selbstschussanlagen als Teil des deutsch-deutschen Museums im Ort stehengeblieben. Bayern hatte unter den westdeutschen Bundesländern mit 422 Kilometern die längste Grenze zur ehemaligen DDR.

Seehofer sagte, er erinnere sich noch sehr lebhaft, wie er am 9. November 1989 den Fall der Mauer erlebt habe, nämlich während einer Bundestagssitzung in Bonn. Es habe einige Stunden gedauert, bis klar gewesen sei, dass die Mauer tatsächlich geöffnet werde. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) sei auf Staatsbesuch in Polen gewesen. Dann habe sich der gesamte Bundestag erhoben und die Nationalhymne gesungen. "Das war für mich ein Gänsehauterlebnis, das vergessen Sie Ihr ganzes Leben lang nicht."

Als damals 40-Jähriger habe er niemals gedacht, "dass es mir einmal vergönnt sein würde, das, wofür wir politisch immer gearbeitet haben, nämlich die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes, auch tatsächlich zu erleben. Das war ein Glücksmoment besonderer Art." Er sei dann nach Berlin geflogen und habe sich ein Stück Mauer gesichert. "Dieser Stein mit Graffitis drauf liegt bei uns im Wohnzimmer und erinnert mich immer an diesen historischen Moment", sagte Seehofer.

Hofs Oberbürgermeister Harald Fichtner (CSU) sagte, die Hofer Bürger und die Verwaltung hätten damals geholfen, ohne ins Gesetzbuch zu blicken. "Wenn wir 1989 alle Gesetze angewendet hätten, hätten wir die Einheit heute noch nicht vollendet", sagte Fichtner. Allein zwischen dem 9. November und dem 31. Dezember 1989 seien in Hof 91 Millionen DM an DDR-Bürger als Begrüßungsgeld ausgezahlt worden.

In Gesprächsrunden entlang der ehemaligen Grenze blickten unter dem Motto "Unsere Geschichte schreibt Zukunft" Zeitzeugen, Politiker und Bürger auf den Mauerfall und die seitdem vergangenen 30 Jahre zurück. Seehofer eröffnete dieses "längste Gespräch Deutschlands" in Hof. Weitere Gesprächsorte waren Geisa in Thüringen, die Dorfgemeinschaft Zicherie und Böckwitz an der Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie Ratzeburg in Schleswig-Holstein.

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