Gastarbeiter 2011: Metall- und Elektrofirmen suchen Mitarbeiter
MÜNCHEN - Bayerns Metall- und Elektrofirmen planen in Mittel- und Osteuropa Online-Portale, um Fachkräfte anzuwerben. SPD befürchtet auf diesem Weg Lohndrückerei mit Leiharbeitsfirmen.
Der Krieg hatte große Lücken in die Generation der Erwerbsfähigen geschlagen, und schon wurden erneut junge Männer zum Militär eingezogen. Gleichzeitig wuchs die Wirtschaft und verlangte nach Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten. Auf Drängen der Firmen entschloss sich Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard 1954, Menschen aus Italien für die Fabriken anzuwerben – die ersten Gastarbeiter.
Auf die Italiener folgten Spanier, Griechen, später, unter anderem, Arbeiter aus der Türkei. Sie machten das deutsche Wirtschaftswunder möglich. Heute, 2011, wollen die Metall- und Elektro-Firmen in Bayern an den Einwanderungs-Erfolg der Nachkriegszeit anknüpfen. Ab dem 1. Mai wird ihr Branchenverband Anwerbeportale in mitteleuropäischen Staaten eröffnen, für deren Bürger dann die Arbeitnehmer-Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union gilt. Facharbeiter und Ingenieure aus Polen, Tschechien, der Slowakischen Republik und Ungarn sollen dann nach Deutschland kommen und Lücken in bayerischen Belegschaften schließen.
Die Metall- und Elektro-Firmen müssen sich allerdings auf Kritik einstellen. „Deutschland braucht weiterhin Zuwanderung“, sagte Bayerns DGB-Chef Matthias Jena zur AZ. „Aber mit Internetportalen in mittel- und osteuropäischen Ländern löst man nicht das Problem der mangelnden Bildung, Ausbildung und Qualifizierung hierzulande. Solche Internetportale können bestenfalls der zweite Schritt sein, nachdem die Hausaufgaben vor Ort erledigt sind.“
Bayerns SPD-Chef Florian Pronold ist ebenfalls skeptisch. Er fürchtet, dass die Anwerbung über Internetportale darauf hinausläuft, dass Zeitarbeitsfirmen zwischengeschaltet werden, die die ausländischen Arbeitskräfte zu Niedriglöhnen in Deutschland einsetzen. „Nach meiner Einschätzung wird es nicht so laufen, dass die Bewerber einfach hierher ziehen und ein normales Arbeitsverhältnis bekommen“, sagte Pronold zur AZ.
Für den Sozialdemokraten sind die Pläne der Metallarbeitgeber ein „Alarmsignal“, das klarmache, wie wichtig Mindestlöhne in Deutschland seien. Zurzeit verhandeln SPD, Grüne und die Koalition über Mindestlöhne.
Bisher gibt es verbindliche Mindestlöhne nur in wenigen Bereichen, darunter der Pflegebranche. Die Lohnuntergrenzen für Pflegekräfte wurden vor allem wegen den bald offenen Grenzen nach Osten festgesetzt. Unzählige Pflegekräfte aus Osteuropa arbeiten heute bereits halblegal in deutschen Haushalten und kümmern sich um hilfsbedürfte Senioren. Ihre rechtliche Stellung (und die der Familien, für die sie arbeiten) wird ab dem 1. Mai entscheidend verbessert. In Bayern beträgt ihr Mindestlohn 8,50 Euro pro Stunde.
Susanne Stephan