Ganztagsbetreuung in Bayern: Stehen Eltern bald alleine da?

Bayern rühmt sich für seinen Express-Haushalt. Nur gefährdet der laut den Grünen zahlreiche Soziale Träger im ganzen Freistaat.
Heidi Geyer |
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Schulranzen stehen vor einem Klassenzimmer.
Arne Dedert/dpa Schulranzen stehen vor einem Klassenzimmer.

München - Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war stolz am 29. Januar. Es sei gelungen, "ein Gegenmodell zu dem zu setzen, was in Berlin passiert ist", sagte Söder nach dem im bayerischen Kabinett verabschiedeten Haushalt für 2024 und 2025. Bekanntermaßen hatte die Ampel Schwierigkeiten, nachdem der Etat wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts deutlich knapper geplant werden musste.

Doch für Eltern mit kleinen Kindern ist der Abschied des Haushalts kein Grund zum Jubeln. Denn die Ganztagsbetreuung für Kinder ist dadurch in Gefahr. Die Crux: Zwar hat das Kabinett über die Eckpunkte entschieden, allerdings kommt das Zahlenwerk erst im Juni in den Landtag, wo final darüber entschieden wird. "Ob das Geld am Ende da ist, wissen wir einfach nicht", sagt Andreas Dexheimer, Leiter des Diakonischen Werks Rosenheim.

Über 70 Ganztagsangebote an Schulen in Oberbayern und Teilen von Niederbayern sind bei der Diakonie Rosenheim derzeit nur schwer zu planen, hinzukommen benachbarte Leistungsangebote wie Horte.

Gefährdet der Haushalt die Ganztagsbetreuung? "Es ist derzeit ein Entscheiden auf Sicht"

Derzeit werden in Bayern Gruppen für das neue Schuljahr ab Herbst geplant und dafür auch Personal eingestellt. "Es ist derzeit ein Entscheiden auf Sicht", sagt Dexheimer. Im Moment unterschreibe die Diakonie Arbeitsverträge, aber man orientiere sich bei der Planung "am absolut notwendigen Limit". Zwar geht Dexheimer davon aus, dass der Freistaat kein Interesse habe, die Träger in den Ruin zu treibe. "Das ist salopp gesagt, eine ,fromme Annahme'. Nur vertraglich bestätigt und garantiert, so dass man wirtschaftlich planen kann, ist es nicht."

Dass nicht nur die Rosenheimer Diakonie mit diesen Problemen zu kämpfen hat, sondern auch viele andere Träger in Bayern, vermutet Claudia Köhler. Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag fragt sich ohnehin, warum der Haushalt heuer so spät entschieden wird. Sie vermutet, dass es der Staatsregierung darum gehe, zu sparen, sagt sie der AZ. "Aber ist das in diesen Zeiten sinnvoll, alle so hängen zu lassen?"

Die Grünen sehen eine Gefahr für die Ganztagsbetreuung und deren Ausbau. Denn es sei dringend eine Erhöhung der staatlichen Förderung nötig, schließlich gelte ab 2026 stufenweise der Rechtsanspruch, den die Gemeinden umsetzen müssen. "Aber ohne eine sichere Finanzierung werden Träger kaum gewillt oder in der Lage sein, Angebote einzurichten beziehungsweise weiter auszubauen", so Köhler. Sie spricht von Trägern, die ins Trudeln gekommen seien. Die Grünen haben daher im Landtag einen Dringlichkeitsantrag gestellt.

Sie würden damit grundlos Ängste schüren, wirft Thomas Huber, sozialpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion, ihnen vor. "Die Finanzierung sozialer Einrichtungen ist sichergestellt. Einen ,sozialen Lockdown' in Bayern oder unangekündigte Streichungen von Fördermitteln, wie man es von der Ampel in Berlin kennt, muss niemand befürchten." Huber verweist auf die vorläufige Haushalts- und Wirtschaftsführung: "Das betrifft zum einen Anschlussbewilligungen bereits laufender Projekte, zum anderen können aber auch neue Projekte oder die Ausweitungen bestehender Projekte gefördert werden."

Zwar verweist das Bayerische Finanzministerium auf AZ-Anfrage darauf, dass die Verfassung vorsehe, dass die Staatsregierung den Haushalt zunächst nach dem Plan des Vorjahres weiterführt. Es handle sich also "keineswegs um Stillstand der Verwaltungstätigkeit".

"Es geht zulasten von Kindern und Eltern"

Dexheimer sieht dennoch Probleme: "Die Frage ist, ob die steigenden Preise und Personalkosten refinanziert werden." Der Diakonie-Chef rechnet vor: "Selbst wenn eine Erhöhung von vier Prozent käme, wäre das de facto eine Kürzung - weil die Kosten so gestiegen sind." Die Diakonie habe aber keine andere Alternative, als weniger Leute einzustellen, weil sie tarifgebunden sei.

Die Konsequenz sei, dass es Lücken in der Betreuung geben und die Qualifikation des Personals nicht sichergestellt sein werde. Dexheimer befürchtet auch, dass sich die Verzögerung auf den Umfang der Betreuung auswirken wird.

"Worst Case: Eine in Vollzeit berufstätige Mutter hätte gerne eine Betreuung für ihr Kind bis 17 Uhr, auch am Freitag und während einem Großteil der Ferienzeiten", sagt Dexheimer. "Das wird schwierig. Es geht zulasten von Kindern und Eltern", mahnt der Diakonie-Chef.

Die Staatsregierung schreibt in ihrer Pressemitteilung zum Haushalt: "In Zeiten wachsenden Fachkräftemangels und gleichzeitig hohen Nachwuchsbedarfs gilt es, das vorhandene Arbeitspotenzial der Beschäftigten des Freistaats Bayern in bestmöglicher Weise auszuschöpfen."

Für Dexheimer geht die Rechnung wegen des fehlenden Haushaltsabschlusses nicht auf. "Damit lassen wir vermutlich auch Fachkräfte ziehen, die wir eigentlich brauchen werden."

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6 Kommentare
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  • Knoedel am 18.02.2024 17:24 Uhr / Bewertung:

    Das wurde hier doch schon mal diskutiert.
    Dann soll halt die Mutter einer intakten Familie sich selbst um den eigenen Nachwuchs kümmern. Man muss dann auf den Zweitwagen, die Osterflugreise, die Restaurantbesuche usw. vorübergehend verzichten. Wie bei mir in der Firma. Da kommt das Kind und genau nach 2 Jahren wird weiter gearbeitet als wäre nichts gewesen.

  • Gelegenheitsleserin am 19.02.2024 11:26 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Knoedel

    @Knoedel

    Als ich ein Kind war, mussten meine beiden Eltern arbeiten und Geld verdienen - und zwar nicht für Zweitwagen oder Flugreisen, sondern um unsere Familie zu ernähren. Ich nehme an, dass es auch jetzt viele Familien gibt, bei denen das so ist. Und nicht bei jeder gibt es - wie bei uns - eine Oma und einen Opa, die sich um die Kinder kümmern können ...

  • Knoedel am 19.02.2024 13:09 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Gelegenheitsleserin

    ..und als ich ein Kind war, war meine Mutter die ersten 12 Jahre daheim. Da wurde bescheiden (mal googeln) gelebt. Mit 24 bin ich das erste Mal geflogen, aus eigener Kasse, und hatte wenn ich zurückdenke eine sehr schöne Kindheit. Ich hatte nichts vermisst.
    Und meine Kinder hatte ich mir zugelegt, als ich mir das leisten konnte. Ohne Kita. Meine Frau ist daheim und bei mir gibts nur noch eine Oma.

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