Gag-Service des Besserwissens mit allem, was rumliegt

Wilfried Schmickler, der zuletzt den Deutschen Kabarettpreis bekam, bespaßte Nürnberg in der Tafelhalle.
von  Abendzeitung
Vor dem Deutschen Kabarettpreis im Januar als Solist in der Tafelhalle: Wilfried Schmickler.
Vor dem Deutschen Kabarettpreis im Januar als Solist in der Tafelhalle: Wilfried Schmickler. © Berny Meyer

NÜRNBERG - Wilfried Schmickler, der zuletzt den Deutschen Kabarettpreis bekam, bespaßte Nürnberg in der Tafelhalle.

Wenn Wilfried Schmickler am 10. Januar den Deutschen Kabarettpreis des Nürnberger Burgtheaters an Andreas Rebers weiterreicht, kann er sich mit dem Kleinkunstpreis vom Mainzer Unterhaus trösten: Der Mann ist gerade nicht runterzukriegen vom Siegertreppchen. Mit dem Solo „Es war nicht alles schlecht“, dem im Titelsong-Refrain die Erkenntnis „sondern vieles schlechter“ angepappt wird, feierte der auch humoristisch erkennbar nach Köln eingemeindete Leverkusener in der Tafelhalle sein Jubiläum von 30 Jahren Dienst an der Pointe.

Leise erklingen aus dem Hintergrund Töne aus „La Traviata“, und während sich der Zuschauer fragen mag, wie soviel Gefühl in die Satire gerät, sagt der Kabarettist am Pult: „Bsirske – äh, Quatsch: Verdi!“ Jaja, und die Gesundheitsministerin Ulla, die dauernd die Kosten dämpft, heißt unter Ärzten „Dämpfnudel" und Heinrich Lübke war eine „Vollknalltüte“. Gut, dass dies endlich mal gesagt wurde.

Schmickler, der in Köln weltberühmt ist, hat seine überregionale Karriere als Eingestirn auf dem kommafreien Quassel-Einsatz als schwadronierender Mitternachts-Spitz im Fernsehen gebaut. Da ist er nach Roglers großen Zeiten ein anerkannter Nachlassverwalter. Einer, der seine Direkt-Attacken an der Promi-Liste der Tagesschau andockt und damit dem Publikum das schöne Gefühl gibt, auf gleichem Informationsstand als Zugabe den erlösenden Witz serviert zu kriegen.

Es darf ja gerne auch ein alter sein, wenn es um drei Jahrzehnte geht, zu deren Beginn „es noch gar keine Umwelt gab". Die Frage, was Schmicklers Thema in diesem Solo sein könnte, lässt sich leicht beantworten: Alles, was rumliegt. Das verarbeitet er mit dem ganzen Können und der keinem Reim abgeneigten Routine eines Spaßmachers mit Absichten. Das ist Bewusst weit weg von all der doppelbödigen Tücke eines Hader, Rether, Priol, Schramm oder Barwasser – und unbewusst nah dran an den zuletzt nur noch mit Wechselrahmen arbeitenden Effekten der leitenden „Scheibenwischer“-Angestellten.

Andererseits, warum auch nicht. Wilfried Schmickler ist stolz, wenigstens nur ein Deutscher zu sein in diesem Land, das „Blitzkrieg, Weltherrschaft und Weiberfasnacht“ erfunden hat und beklagt den Informationsstand des Volks: „Alle wissen, was Boris Becker in der Besenkammer macht – aber was tut Wiefelspütz im Innenausschuss?" Interessanter Gedanke, dem ganz schnell der nächste Name folgen muss. Der Zuschauer von heute langweilt sich ja so furchtbar schnell.

Aber Respekt vor dem Gag-Service, vor dem Abarbeiten des Nachrichten-Berges, vor der Treue zur bewährten Technik des Besserwissens. Und vor dem Mut zur Rückkoppelung. „Je mehr gequatscht wird, desto weniger wird gesagt", spricht der Künstler. Es war nicht alles schlecht an diesem Abend. D.S.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.