Gäubodenfest: Parkplatz statt Prosit

Straubing – Der Duft von gebrannten Mandeln, der durch Straubings Gassen vom Festplatz Richtung Stadtplatz wabert. Scharen von lachenden Kindern, Frauen und Männern in Dirndl und Lederhosn, die zum Festplatz am Hagen strömen – und noch fröhlicher von dort zurückkehren. Das sich gemächlich drehende Riesenrad, das Besucher schon von weitem bunt blinkend in der Stadt begrüßt.
All das fehlt in Straubing in diesem Jahr. Erstmals seit 1933 findet dort an den elf Tagen um den 15. August kein Gäubodenvolksfest statt – und auch die Ostbayernschau ist abgesagt. Am Festplatz, dem Großparkplatz am Hagen, wäre eine Infrastruktur von Schaustellern und Wirten von rund 250 bis 300 Millionen Euro aufgestellt worden. 27.000 Sitzplätze hätten allein die sieben Festzelte. Etwa 130 Schausteller und 30 Fahrgeschäfte sorgen dort einmal im Jahr für Losglück, Nervenkitzel, Gaudi und Gaumenfreuden. "A Trumm vom Paradies" sei das Gäubodenvolksfest, formulierte einmal Heimatdichter Max Peinkofer. Corona hat die Straubinger für dieses Jahr aus ihrem Paradies vertrieben.
Auch wenn die Absage am 16. April alles andere als überraschend kam – nicht wenige, selbst zeitweilige Volksfest-Muffel, mussten an dem Tag ein paar Tränchen verdrücken. Die Stadt wirkte trotz langer "Verarbeitungszeit" in dieser Woche ein bisserl so, als hänge sie in der Luft, vertrieben aus ihrem "Trumm vom Paradies".
Das Volksfest fehlt – auch wenn es dank vieler Biergarten-Konzerte und kleinerer Festl zumindest Gelegenheiten gibt, das Trachtengewand auszuführen und Blasmusik zu hören. Wie aber geht es den Fest-Protagonisten ohne Fest, was macht das mit der Stadt?
Die AZ hat nachgefragt, wie es so ist – ohne das Fest. Damit die Münchner, die gern auf die Wiesn gehen, im September dann wissen, wie sich das so anfühlen könnte.
Das sagt der Festwirte-Sprecher: "Man denkt permanent dran"

Festwirtesprecher Martin Lechner hofft, dass schnell Montag ist, sagt er im Gespräch mit der AZ. Denn heute wäre der letzte Volksfest-Tag gewesen. Vor allem hofft er auf einen Impfstoff – sonst sieht er sogar für das Volksfest 2021 schwarz.
Zum 24. Mal wäre sein Zelt heuer am Hagen gestanden. "Man denkt permanent dran. Es wäre zwar ein wenig zu heiß, aber lieber ein heißes Volksfest als gar keins", sagt er. Die Lederhosn sind im Schrank geblieben. "Es ist logisch, dass man das Fest nicht machen kann, aber es blutet einem schon das Herz." Sein Eindruck von der Gäubodenstadt in dieser Woche: "Der Straubinger trauert dem Fest nach."
So geht’s einem Musiker: Die große Bühne fehlt

Der Duft von gebrannten Mandeln, der durch Straubings Gassen vom Festplatz Richtung Stadtplatz wabert. Scharen von lachenden Kindern, Frauen und Männern in Dirndl und Lederhosn, die zum Festplatz am Hagen strömen – und noch fröhlicher von dort zurückkehren. Das sich gemächlich drehende Riesenrad, das Besucher schon von weitem bunt blinkend in der Stadt begrüßt.
All das fehlt in Straubing in diesem Jahr. Erstmals seit 1933 findet dort an den elf Tagen um den 15. August kein Gäubodenvolksfest statt – und auch die Ostbayernschau ist abgesagt. Am Festplatz, dem Großparkplatz am Hagen, wäre eine Infrastruktur von Schaustellern und Wirten von rund 250 bis 300 Millionen Euro aufgestellt worden. 27.000 Sitzplätze hätten allein die sieben Festzelte. Etwa 130 Schausteller und 30 Fahrgeschäfte sorgen dort einmal im Jahr für Losglück, Nervenkitzel, Gaudi und Gaumenfreuden. "A Trumm vom Paradies" sei das Gäubodenvolksfest, formulierte einmal Heimatdichter Max Peinkofer. Corona hat die Straubinger für dieses Jahr aus ihrem Paradies vertrieben.
Auch wenn die Absage am 16. April alles andere als überraschend kam – nicht wenige, selbst zeitweilige Volksfest-Muffel, mussten an dem Tag ein paar Tränchen verdrücken. Die Stadt wirkte trotz langer "Verarbeitungszeit" in dieser Woche ein bisserl so, als hänge sie in der Luft, vertrieben aus ihrem "Trumm vom Paradies". Das Volksfest fehlt – auch wenn es dank vieler Biergarten-Konzerte und kleinerer Festl zumindest Gelegenheiten gibt, das Trachtengewand auszuführen und Blasmusik zu hören. Wie aber geht es den Fest-Protagonisten ohne Fest, was macht das mit der Stadt?
Die AZ hat nachgefragt, wie es so ist – ohne das Fest. Damit die Münchner, die gern auf die Wiesn gehen, im September dann wissen, wie sich das so anfühlen könnte.
So geht’s Einzelhändlern: Eine "große Misere" – mit Hoffnungsschimmer

Für viele wäre ein Ausflug zum Fest auch gleichzeitig der Sommerurlaub gewesen. Das Gäubodenfest zieht jährlich über rund 1,4 Millionen Menschen an. Viele davon sind freilich Touristen, die Stadt Straubing hat gerade einmal knapp 48.000 Einwohner. Besucher tragen Geld in die Stadt. Fehlen sie nun – ohne Volksfest? Martin Erdl, Straubings Einzelhandelssprecher, beobachtet eine zwiespältigen Situation.
In seinem Sportladen verzeichnet er mehr Geschäft, denn die Touristen, "die Straubing vom Volksfest kennen, kommen trotzdem und haben dann Zeit zu bummeln". Auch die Straubinger selbst zeigen sich laut Erdl solidarischer mit den Läden vor Ort als vor Corona.
Anders sieht es bei den Trachtenhäusern aus. Seit fast 200 Jahren verkauft Mode Markgraf in Straubing Lederhosn und Dirndl. Zur AZ sagt Peter Markgraf über die Auswirkungen von Gäubodenvolksfest- und auch Wiesnabsage: "Es ist eine einzige große Misere. Wir haben einen Rieseneinbruch durch das fehlende Volksfest. Was uns über Wasser hält, sind die Trachtenhochzeiten."
In Straubing gibt es kleinere Gassenfeste, Blaskapellen spielen in Biergärten und auf dem Stadtplatz auf. "Dass wir ein bisserl ein Volksfestfeeling haben", sagt Markgraf seufzend. "Das sind tolle Veranstaltungen, die vielleicht auch in Zukunft bleiben", meint Erdl – und Leute in die Stadt locken.
Das sagen Schausteller: "Uns blutet total das Herz"

Mit der Familie grillen statt Crêpes im eigenen Standl für die Volksfestbesucher backen: Isabell Richter, Vorstandsmitglied in der Straubinger Bezirksstelle des Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute, ist die gesamte Saison weggebrochen, wie sie der AZ erzählt. "Es schaut nicht gut aus, alle sind wehmütig, aber es hilft ja alles nix." Jetzt macht die Schaustellerfamilie, die auch einen Schießstand und ein Kasperltheater betreibt, "aus der Not eine Tugend – heut Abend grillen wir zusammen", erzählt Richter und kann dabei sogar ein bisserl lachen über die sonst so seltene gemeinsame Freizeit im August.
Aber: "Auf Dauer wird es gefährlich ohne Einnahmen. Wir alle wollen arbeiten. Und ein Volksfest ist nur richtig schön auf dem Volksfestplatz." Richter und ihre Kollegen haben einen großen Wunsch: dass die Weihnachtsmärkte stattfinden können.
"Ich denke jeden Tag ans Volksfest", sagt auch Bernhard Schiedeck, der seit 17 Jahren auf dem Gäubodenvolksfest und seit 2010 auf der Oiden Wiesn die Besucher verschaukelt – als Rekommandeur der Hexenschaukel, einem 126 Jahre alten Fahrgeschäft, das von der Interaktion mit dem Publikum lebt. Deswegen – und auch, weil die Schaukel ohnehin nur als Hobby und nicht zum Broterwerb betrieben wird – wird das Illusionsfahrgeschäft auch nirgendwo anders aufgebaut, sagt Schiedeck zur AZ. Umso mehr vermisst er das Volksfest, "die Geselligkeit, die Leute". Der Niederbayer stammt aus der Straubinger Gegend, das Volksfest ist ein Heimspiel für ihn. "Uns blutet total das Herz", sagt Schiedeck stellvertretend für sein ganzes Team.
Immerhin, Isabell Richter darf nun auf dem Straubinger Stadtplatz ein paar Tage ihre französischen Pfannkuchen verkaufen – "dafür sind wir dankbar, aber diese Einnahmen ersetzen natürlich kein Volksfest", sagt die Schaustellerin.
Das sagt der Oberbürgermeister: "Ich wäre lieber am Festplatz"

Noch nie war diese Augustwoche für Markus Pannermayr, Bayerns Städtetagschef und Straubings OB (CSU), wohl so ruhig – auf dem Gäubodenvolksfest folgen seine Termine ja meist so schnell aufeinander wie eine Maß auf die nächste: "Tatsächlich habe ich in dieser Woche etwas weniger Termine als sonst. Aber ganz ehrlich: Ich würde die Zeit lieber auf dem Festplatz verbringen", sagt der OB zur AZ.
Jetzt ist es deutlich ruhiger als sonst in der Volksfestwoche in seiner Stadt. Die Lebensfreude ganz nehmen lassen sich die Straubinger aber nicht: "Alternativangebote wie die Erweiterung von Freischankflächen, die Schaustellerstände am Stadtplatz oder die Gassenfeste werden laut Pannermayr gut angenommen. Dennoch – ihm fehlt das Fest, "die besondere Atmosphäre, die Mischung aus Einheimischen und Gästen". Doch sich zu grämen, bringe ja nichts, meint Pannermayr.
Sein Tipp für Münchner Wiesn-Fans: "Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude – dafür haben wir jetzt genügend Zeit. Gott sei Dank gibt es auch sonst zahlreiche attraktive Angebote für Bürger und Gäste."
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