Gänsesäger in Bayern zum Abschuss freigegeben: Tierschützer fordern Ende der Tötung

Seit 2022 können Gänsesäger nach der Brutsaison legal abgeschossen werden – 440 Tiere hat es seitdem getroffen. Doch hat der Entenvogel tatsächlich gefährdete Fische auf dem Gewissen? Nein, sagen Naturschützer und fordern, den Abschuss zu stoppen.
Leonie Fuchs |
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Ein Gänsesäger-Weibchen schwimmt mit seinen Küken auf dem Eisbach im Englischen Garten.
Ein Gänsesäger-Weibchen schwimmt mit seinen Küken auf dem Eisbach im Englischen Garten. © Peter Kneffel/dpa

München – Roter Schnabel, weißes Federkleid, grün oder braun gefärbter Kopf: Der Entenvogel Gänsesäger kommt in Bayern ausschließlich südlich der Donau vor. Seine Hauptnahrung sind Fische, insbesondere Äsche. Deren Bestand ist jedoch stark gefährdet.  Dies ist auch der Grund, weshalb der Gänsesäger ab Freitag (16. August), nach Ende der Brutsaison, wieder von Jägern abgeschossen werden darf. Unnötig, finden Naturschützer – sie schlagen deshalb Alarm.

"Sinnloses Projekt" soll noch ein Jahr lang weitergehen

Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) fordert ein Ende der Jagd auf den Gänsesäger. In einem Brief, der der AZ vorliegt, appelliert der LBV an Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), den Abschuss zu unterbinden. "Ein sinnloses Projekt ein weiteres Jahr fortzuführen, macht es deswegen nicht sinnvoll", so LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer laut Mitteilung.

Äschen werden auf der Roten Liste als stark gefährdet eingestuft. Laut Institut für Fischerei ist etwa der Gänsesäger verantwortlich.
Äschen werden auf der Roten Liste als stark gefährdet eingestuft. Laut Institut für Fischerei ist etwa der Gänsesäger verantwortlich. © Imago

Aus einer Arbeitsgruppe zum Gänsesäger war der Verein bereits im Juni "unter Protest" ausgestiegen – ebenso die Ornithologische Gesellschaft und der Bund Naturschutz. Die Arbeitsgruppe wurde 2019 unter Leitung des Instituts für Fischerei am Landesamt für Landwirtschaft (LfL) gegründet und besteht aus Vertretern aus Fischerei, Naturschutz, Behörden und Politik.

Sie soll unter anderem herausfinden, wie sich die in Bayern lebenden Gänsesäger auf die Fischpopulationen in den Alpenflüssen auswirken. Gejagt wird hierfür seit Herbst 2022, außerhalb der Brutsaison von Mitte August bis März an bayerischen Alpenflüssen, nämlich an der Isar bei Ismaning und bei Bad Tölz, sowie an Alz, Traun, Leitzach und Iller, wie Michael Schubert, stellvertretender Leiter des Instituts für Fischerei, der AZ sagt.

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"Um die Äsche steht es aus vielerlei Gründen schlecht"

Mittlerweile seien 440 Gänsesäger erlegt worden, geht aus dem LBV-Brief an die Landwirtschaftsministerin Kaniber hervor. Eine derartige Vergrämung habe den "Charakter eines Massenabschusses", heißt es darin. Und weiter: "Der Erkenntnisgewinn ist fragwürdig." Die Entenvögel seien generell selten in Bayern, sagt Markus Erlwein, Sprecher des LBV, zur AZ. Der natürliche Lebensraum des Gänsesägers erstreckt sich von Skandinavien über die Britischen Inseln, Nordpolen und das Baltikum. In Bayern liegt der geschätzte Brutbestand laut Erlwein bei 500 bis 600 Paaren.

Der LBV kritisiert die mangelnde wissenschaftliche Aussagekraft der Ergebnisse, die von der Gruppe bisher vorgelegt wurden. Vielmehr sei klar geworden, dass der Abschuss des Gänsesägers bislang keine positiven Effekte auf den Schutz der Fische erzielt hätten. Der Entenvogel werde als Sündenbock für den Rückgang der seltenen Fischarten herangezogen. Er werde zu Unrecht verurteilt und zum Hauptschuldigen gemacht, denn um die Bestände bayerischen Äsche stehe es aus vielerlei Gründen schlecht, so Erlwein weiter.

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Er nennt etwa die Veränderung des Bodensediments, den Rückgang der Lebensräume durch Querverbauungen sowie den Klimawandel als weitere Ursachen. "Als einzige vermeintliche Lösung wird jedoch der Abschuss propagiert." Zudem sei auch in Gewässern, in deren Nähe keine Gänsesäger leben, der Zustand der Äsche häufig schlecht.

"Die Bejagung muss auch in der dritten Vergrämperiode fortgeführt werden, denn wir brauchen die Daten, um die Ergebnisse abzusichern", sagt Schubert vom Institut für Fischerei trotz Aufforderung des LBV zur AZ. "Wir dürfen auch gar nicht aufhören, weil wir den Auftrag vom Bayerischen Landtag haben." Das Landwirtschaftsministerium konnte eine AZ-Anfrage hierzu urlaubsbedingt nicht beantworten.

"Die Zahl an getöteten Tiere war notwendig"

Das Projekt laufe noch bis Ende Juni des kommenden Jahres, so Schubert. "Dann werden wir ergebnisoffen und neutral die Ergebnisse Ende nächsten Jahres vorstellen." Den späten Zeitpunkt des Ausstiegs von LBV und Bund Naturschutz, verstehe er nicht. "Ziele und Vorgehensweise des Projektes haben sich ja nicht geändert." Ziel sei es niemals gewesen, den Gänsesäger flächendeckend zu bejagen. Bislang sei die Zahl an getöteten Vögeln jedoch nötig gewesen.

Der Entenvogel sei zwar nicht alleine verantwortlich für die Gefährdung der Fische, er verhindere jedoch lokal die Erholung der Äschenbestände. "An der mittleren Isar, wo der Säger vergrämt wird, sieht man einen deutlichen Effekt im Äschenbestand."

Der LBV findet die Belege dafür nicht ausreichend. "Es muss endlich Schluss sein mit dem Abschuss der Gänsesäger", so Schäffer weiter laut Mitteilung. Der LBV werde weiter gegen den Beschuss vorgehen, sagt Erlwein. Am Mittwoch plant der LBV deshalb eine Aktion, um ein Zeichen gegen die Vergrämung zu setzen.

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  • HanneloreH am 17.08.2024 14:02 Uhr / Bewertung:

    Auch die unsäglichen Krähen müssen geschossen werden. Kein Papierkorb ist or ihnen sicher.

  • Padige am 16.08.2024 13:24 Uhr / Bewertung:

    Ich freue mich auf den Tag, an dem die Natur zurückschlägt und möglicherweise einen Teil dieser mehrheitlich total verblödeten Menschheit mal eben kurz hinwegrafft. Allen voran die Bürokratie"Roboter", die für derartige Abartigkeiten verantwortlich sind.

  • Jake 28 am 16.08.2024 11:59 Uhr / Bewertung:

    Wenn in 2 jahren 440 Gänsesäger in einigen eng begrenzten Flussabschnitten abgeschossen wurden, dann bezweifele ich die Zahl von nur 500-600 Brutpaaren in ganz Bayern.

    Ein paar Fakten: Ein Gänsesäger benötigt am Tag durchschnittlich 400 g Fisch. Das macht pro Tier im Jahr ca. 150 kg, in Kleinfischen zu je 10 g sind das 14.600 Fische im Jahr. Bei 200 an der Isar abgeschossenen Gänsesägern sind das ca. 3 Millionen Fische im Jahr auf einer Strecke von 16 km. Das sind nicht nur Äschen, sondern auch Nasen, Schneider, Elritzen, Mühlkoppen, Forellen usw. Da diese 3 Mio Fische nicht vom Himmel fallen oder eingesetzt werden, können sie nur von den Elterntieren per Fortpflanzung entstanden sein. Das steht im krassen Widerspruch zu der Aussage des LBV, dass die gefährdeten Fischarten in der Isar mangels Laichplätzen nicht genügend Nachwuchs produzieren würden. Daher macht es sehr wohl Sinn, das wissenschaflich begleitete Projekt zu Ende zu führen und auf der Basis von Fakten zu diskutieren.

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