„Fußballer–Memoiren werden wir nie vorstellen!“

NÜRNBERG - Wie 80 Autoren beim Poetenfest in Erlangen für 2008 das Vorspiel zur Buchmesse starten
Wer nicht lesen will muss hören: Mit 80 Autoren, die ihre neuesten Drucksachen und dazu passende Philosophien im Gepäck haben, startet morgen das Erlanger Poetenfest (bis Sonntag) traditionell als verträumtes Vorspiel der Frankfurter Buchmesse in die Saison. Mit Lesungen, Podiumsgesprächen, Schwerpunkt-Themen und Porträt-Abenden. Fest-Manager Bodo Birk setzt auf sanfte Reformen.
AZ: Sie vermelden, dass „der deutsche Literaturbetrieb“ nach Erlangen blickt. Blicken Sie doch mal zurück – ändert sich etwas im Betrieb?
BODO BIRK: Innerhalb eines Jahres sicher nicht, aber über eine längere Strecke ist deutlich, dass sich die Autoren von der zeitweise dominierenden Beschäftigung mit ihren privaten Befindlichkeiten weg zu gesellschaftlich relevantenen Themen bewegen. Das ist eine gute Entwicklung, finden wir.
Bei den vier Porträt-Abenden sind mit Marlene Streeruwitz und Josef Winkler zwei Österreicher, dazu der Türke Murathan Mungan und der wohl als „global“ einzustufende Volker Schlöndorff. Gibt es keine deutschen Autoren von genügend Gewicht?
Richtig ist, dass wir deutschsprachige Literatur nicht nach Nationalitäten sortieren. Richtig ist auch, dass die Literatur der Bundesrepublik nicht alljährlich so viele neue Autoren ins Blickfeld rückt, für die der große Porträt-Abend angemessen wäre. Auch deshalb reden wir darüber, in Zukunft internationaler zu werden.
In früheren Jahren gehörte immer ein Abend dem mehr oder minder abgeschlossenen Lebenswerk eines Schriftstellers. Ist der Vorrat an Altmeistern aufgebraucht?
Es gibt schon noch ein paar, die wir holen wollen. Christa Wolf etwa war fest eingeplant, bat aber aus gesundheitlichen Gründen um Aufschub. Die Auswahl von 2008 hat jedoch auch inhaltliche Gründe: Wir möchten nicht Denkmäler ausstellen, sondern Künstler mitten im Schaffensprozess kennen lernen.
Autobiografien sind nicht zwangsläufig poetische Werke. Was hat Sie zu Filmemacher Schlöndorff geführt?
Natürlich haben wir nachgedacht, was für ein Signal solch ein Auftritt gibt. Problematisch wäre das, wenn Schlöndorff nicht der große Literatur-Regisseur wäre, der von Grass über Böll bis Frisch so viele zeitgenössische Autoren auf die Leinwand brachte. Inzwischen weiß man ja, dass sein Buch auch Literatur ist.
Sie hatten schon Thomas Gottschalks Biografie präsentiert. Schlägt der Promi-Faktor doch ein wenig durch?
Da kann ich Sie beruhigen, wir werden beim Erlanger Poetenfest niemals Schlagersänger-Erinnerungen oder Fußballer-Memoiren vorstellen.
Populär darf es aber schon sein. Mal waren es Krimis, jetzt ist es eine Nacht für Karl May, bei dem Sie fragen, welche Bedeutung er fürs 21. Jahrhundert hat. Hat er eine?
Das wird sich zeigen, er gilt immerhin als Autor mit der weltweit höchsten Auflage, und er liegt wieder in der Luft. Es geht uns um seine weniger bekannten Seiten, die der Bamberger Verlag inzwischen anspruchsvoll aufarbeitet. Davon abgesehen, ist es die Spielwiese des Poetenfestes.
22 Autoren im Anlauf zu Buchmesse und Bestseller-Liste lesen im Stunden-Takt am Samstag und Sonntag im Schlossgarten. Wie entstehen solche Spaliere?
Wir haben unsere eigene Wunschliste, die Moderatoren spielen mit ihren Vorschlägen eine besonders wichtige Rolle – und dann einigen wir uns, was interessant sein könnte.
Und die Verlage setzen ihre Karawanen in Bewegung?
Diesen oft vermuteten Einfluss gibt es nicht, weil zu dieser Jahreszeit Lesereisen gar nicht üblich sind. Es sind die einzelnen Autoren, aus denen das Programm gebaut wird.
Wie hoch ist die Absage-Quote?
Erfreulich niedrig, höchstens 20 Prozent.
Dann vermisse ich spontan Sven Regener mit der „Herr Lehmann“-Vollendung...
Ich auch, aber er hat einen Herbst-Auftritt in Franken mit vertraglicher Ausschluss-Klausel für diese Region.
Erstmals bekommt das Sachbuch höhere Poetenfest-Weihen. Was ist passiert?
Hier hat sich ein Genre entwickelt, das sich stilistisch mehr und mehr an belletristischen Büchern messen lässt. Nicht mehr mit der beruhigenden Bemerkung „Das liest sich sogar gut“. Aber „1000 ganz legale Steuertricks“ werden wir nicht als Literatur verkaufen.
Interview: Dieter Stoll