Furchtbarer Verdacht: Begann der Irak-Krieg in Franken?
Geheimtreffen in Nürnberg: Mit den Lügen eines Flüchtlings begründeten die USA den Angriff. Der Mann mit Namen Rafed tischte dem BND Märchen auf. Offenbar mit Erfolg.
NÜRNBERG Die Geschichte klingt wie ein aufgeblähter politischer Thriller. Und doch ist sie wahr: Ein Betrüger aus Franken lieferte der US-Regierung „Belege“ für Saddam Husseins angebliche Biowaffen. „Belege“, die den USA dazu dienten, ihren Militärschlag gegen den Irak zu legitimieren. Das deckte das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ jetzt auf. Ein furchtbarer Verdacht: Begann der Krieg gegen den Irak in Franken?
1999 kam der Mann mit dem Vornamen Rafed im Alter von 32 Jahren ins Aufnahmelager Zirndorf – als Flüchtling aus dem Irak. Doch Freiheit hatte er sich anders vorgestellt als die Stacheldraht-umzäunten Baracken des Lagers. Er wollte so schnell wie möglich weg aus der Siedlung.
In der Gemeinschaftsküche, so schreibt der „Spiegel“, sei Rafed gesagt worden: Der schnellste Weg raus aus dem Lager führe über den Bundesnachrichtendienst (BND). Der unterhielt in Zirndorf eine Außenstelle und befragte routinemäßig alle irakischen Asylbewerber.
Märchenstunde
Rafed fackelte nicht lange: Er tischte dem Geheimdienst ein Ammenmärchen auf. Zunächst berichtete er (noch wahrheitsgemäß), dass er im Chemical Engineering and Design Center (CEDC) gearbeitet habe – dieses galt als Tarnfirma von Saddams Waffenprogrammen. Dann begannen die Lügen. Von mobilen Giftküchen auf Lkws erzählte der BND-Informant, der den Namen „Curveball“ erhielt. Von einem Unfall mit zwölf Toten, alle seien kontaminiert gewesen.
Die Analysten in der Pullacher BND-Zentrale waren elektrisiert, sofort wurden Geheimtreffen mit der vermeintlichen Super-Quelle in der geheimen BND-Zentrale in Nürnberg – dienstintern „Burgzinne“ genannt – organisiert.
Die brisanten Informationen landen bald beim BND-chef, dann im Außenministerium, im Kanzleramt – und schließlich im Weißen Haus. Vor fünf Jahren präsentierte die US-Regierung schließlich der Welt-Gemeinschaft Beweise für Saddams angebliche Biowaffen. Das „Kronjuwel“ der Kriegs-Rechtfertigung: die Aussagen Rafeds.
Die Geschichte flog erst auf, als der Krieg bereits tobte. US-Inspektoren holten das nach, was der BND versäumt hatte und nahmen den Lebenslauf Rafeds unter die Lupe. Das Ergebnis: Rafed war bei CEDC in Bagdad Projektmanager für Saatgut. Doch weil er immer wieder bei Abrechnungen betrog, wurde er gefeuert.
Sein größter Coup hat sich für Rafed gelohnt: Nach drei Wochen durfte er Zirndorf verlassen, zog nach Erlangen. Er ist reich. Und die Behörden haben seiner Einbürgerung zugestimmt.