Für Transsexuellen: Gustl Mollath kämpft weiter

Gustl Mollath, Deutschlands bekanntester Psychiatriepatient, setzt sich für einen Transsexuellen ein, der im Bezirkskrankenhaus Taufkirchen (Vils) zwei Monate ans Bett gefesselt wurde.
von  Helmut Reister
Gustl Mollath ist Deutschlands bekanntester Psychiatriepatient - jetzt kämpft er für einen anderen.
Gustl Mollath ist Deutschlands bekanntester Psychiatriepatient - jetzt kämpft er für einen anderen. © dpa

Gustl Mollath, Deutschlands bekanntester Psychiatriepatient, setzt sich für einen Transsexuellen ein, der im Bezirkskrankenhaus Taufkirchen (Vils) zwei Monate ans Bett gefesselt wurde.

Taufkirchen - Acht Wochen lang, ununterbrochen, ist ein Patient in der forensischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Taufkirchen ans Bett gefesselt worden – um ihn ruhig zu stellen. Das geht aus Dokumenten hervor, die der AZ vorliegen.

Publik gemacht hat den Fall der Nürnberger Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder. Er erstattete Anzeige gegen die Verantwortlichen der „Isar Amper Klinik“, unter anderem wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Zusammen mit Deutschlands bekanntestem Psychiatrie-Patienten, Gustl Mollath, übergab er der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg umfangreiches Beweismaterial. Mollath, der den Patienten zuvor besucht hatte und die Verhältnisse mehrerer psychiatrischer Krankenhäuser aus Erfahrung kennt, sprach von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Der Sprecher der Nürnberger Justizbehörden, Michael Hammer, bestätigte den Eingang der Anzeige. Er erklärte aber, dass der Generalstaatsanwalt nicht zuständig sei: „Wir werden die Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft in Landshut weiterleiten.“ Der Münchner Rechtsanwalt Adam Ahmed, der den zwangsweise in der Psychiatrie untergebrachten Patienten, einen Transsexuellen, juristisch vertritt, stellt derartige Zwangsmaßnahmen grundsätzlich in Frage: „Natürlich muss dieser Einzelfall sehr genau geprüft werden, aber auch die Praxis der Fixierungen in Taufkirchen insgesamt.“

Darüber hinaus sieht der Strafverteidiger Handlungsbedarf des Gesetzgebers. Heidingsfelder schreibt in seiner vier Seiten umfassenden Anzeige: „In den Unterlagen der Klinik finden sich zahlreiche Hinweise auf weitere Straftaten wie nicht korrekte Aktenführung, Fixierungen ohne detaillierte Begründungen oder das Abhören von Anwaltsgesprächen beziehungsweise Parteiverrat, da sich Inhalte von Anwaltsgesprächen in den Patientenunterlagen befinden.“

Um mögliche Vertuschungen zu unterbinden, fordert Heidingsfelder die Staatsanwaltschaft auf, „umgehend Beweise, Dokumente und Datenspeicher zu sichern“. „Wie die Patientenunterlagen bestätigen“, heißt es weiter in der Anzeige, „ist ein unmenschliches und gemeinschaftliches Verhalten der Klinikmitarbeiter an etlichen Stellen dokumentiert.“ Mollath, der Heidingsfelder unterstützt, sagt: „Psychiatrische Kliniken sind zu einem rechtsfreien Raum verkommen.“ Aussagen einer seit mehreren Jahren in der Psychiatrie untergebrachten Patientin zufolge, auf die sich Heidingsfelder bezieht, seien Fixierungen in der Forensik von Taufkirchen fast täglich vorgekommen.

Dazu schreibt der Plagiatsjäger mit dem nunmehr erweiterten Aktionsfeld: „Ich habe Herrn Ministerpräsidenten Seehofer und die bayerische Staatskanzlei am 9. Dezember 2013 bereits über die unglaublich hohe Anzahl an Fixierungen in Taufkirchen (Vils) umfassend informiert.“ Eine Antwort hat er noch nicht erhalten.

Laut Chefärztin Verena Klein wurden in der Forensik zwischen November 2011 und Mitte 2013 insgesamt 18 Patienten fixiert, in insgesamt 337 Fällen. Die durchschnittliche Dauer der Maßnahme hätte bei knapp 30 Stunden gelegen. Jede einzelne Fixierung werde von einem Arzt verfügt, eine richterliche Anordnung sei hierbei nicht notwendig. Konkret auf den Einzelfall mit der Langzeit-Fixierung wollte die Chefärztin mit Hinweis auf ihre ärztliche Schweigepflicht nicht eingehen. Sie sprach jedoch von einer „massiv fremdaggressiven Patientin“, die in dem genannten Zeitraum fast 1400 Stunden lang fixiert worden sei. Offenbar, so heißt es aus Kreisen des Klinikums, sei vor der zweimonatigen Dauerfixierung ein massiver Angriff gegen einen Arzt erfolgt.

Die Problematik von Fixierungen wird nach den Worten Kleins durchaus ernst genommen. Zur AZ sagte sie: „Momentan sind wir dabei, durch Weiterentwicklung der Deeskalationsmaßnahmen sowie durch Prüfung der Einrichtung eines Time-Out-Raumes Möglichkeiten zu schaffen, akutem Eigen- und Fremdgefährdung anders als durch Fixierungsmaßnahmen zu begegnen.“ Die aktuellen Zahlen der Fixierungen seien bereits rückläufig.

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