Für die Ernte wird es ernst

Die Kartoffeln verfaulen, der Mais streikt, bei den Kühen wird das Futter knapp – was der Regen mit der Landwirtschaft macht
von  tan
Ja, das ist ein Acker und kein See, und nein, das Bild ist nicht verkehrt herum: Auf vielen landwirtschaftlichen Flächen steht derzeit das Wasser.
Ja, das ist ein Acker und kein See, und nein, das Bild ist nicht verkehrt herum: Auf vielen landwirtschaftlichen Flächen steht derzeit das Wasser.

Die Kartoffeln verfaulen, der Mais streikt, bei den Kühen wird das Futter knapp – was der Regen mit der Landwirtschaft macht

MÜNCHEN „Mai kühl und nass füllt dem Bauern Scheun’ und Fass“: Diese alte Bauernregel wird gerade zum Hohn. Das extreme Wetter hat extreme Auswirkungen auf die Landwirtschaft – und damit für den Verbraucher. „Die Bauern sind in großer Sorge um ihre Ernte“, so Brigitte Scholz, Sprecherin des Bayerischen Bauernverbands (BBV), zur AZ. „Für manche ist die Lage bedrohlich und besorgniserregend.“ Der Mais wächst nicht mehr, die Kartoffeln verfaulen – und alles, was jetzt nicht auf die Äcker kommt, fehlt in ein paar Wochen im Laden.

„Es ist ja nicht nur das Wasser, es ist auch die Witterung der vergangenen Wochen“, erklärt Scholz. Heuer kommen gleich mehrere unglückliche Faktoren zusammen: der zu lange Winter, der zu kalte Mai und jetzt das viel zu viele Wasser. „In einigen Regionen sind die Sommerkulturen noch gar ausgebracht.“ Einen Malus hätte man ausgleichen können, in der Kombination sind sie fatal. Beispiel Getreide: „Vor allem die Wintergerste und den Roggen hat es zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt“, sagt Landwirt Thomas Riedmann. Wegen des langen Winters seien die Stängel noch sehr zart gewesen, als jetzt Wasser und Sturm kamen und sie auf den Boden drückten. „Zwei Wochen später wären sie widerstandsfähiger gewesen.“ Und selbst dem Getreide, das es laut BBV-Pflanzenexperte Herrmann Greif gern kühl und feucht mag, wird es zu viel – jetzt drohen Pilzkrankheiten.

Besonders arg ist die Lage aber bei Kartoffeln, Mais und für Milchbauern, so BBV-Sprecherin Scholz. Problem bei den Kartoffeln: „Wo die Erde sehr durchnässt ist, können die Pflanzen anfangen, zu faulen.“ Und der Mais wächst schlicht nicht mehr, weil es ihm zu kalt und zu nass ist. „Der streikt einfach“, so Getreidereferent Matthias Kick.

Steigende Preise für Gemüse

Bei den Viehhaltern wird das Futter zum Problem. „Auf manchen Wiesen steht das Wasser anderthalb Meter hoch“, sagt die BBV-Sprecherin. An Mähen ist nicht zu denken, dabei haben viele Milchbauern heuer noch nicht mal den ersten Schnitt gemacht – und die Silos werden immer leerer. Auch wenn das Wasser abläuft, ist die Frage, was von den verschlammten Wiesen überhaupt noch als Futter zu gebrauchen ist. Bei den Spargelbauern ist die Laune ohnehin im Keller: Sie haben bereits jetzt Ernteeinbußen von 60 Prozent, so Scholz.

Viele Folgen werden allerdings erst in ein paar Wochen sichtbar: „Was jetzt nicht gesät wird, fehlt später im Laden“, sagt Michael Brückner, Vorsitzender der Gemüse-Erzeuger im Knoblauchsland, zur AZ. „In fünf Wochen der Salat, der jetzt gesät werden würde, in vier Wochen die Radieserl, und so fort.“ 20 Prozent der Pflanzen sind ihm „ersoffen“. Auch die Überlebenden sind gehandicapt: „Die Radieserl zum Beispiel, die jetzt wachsen, die bilden quasi überhaupt keine Wurzeln aus, jetzt kriegen sie mit dem ganzen Wasser das Frühstück ja quasi ans Bett gebracht. Und wenn dann wieder die Sonne scheint, sind sie in Nullkommanix verdorrt, weil ihnen gescheite Wurzeln fehlen.“ Die finanziellen Einbußen sieht er eher beim Verbraucher: „Freilich wird das teurer, wenn es von einer Ware viel weniger gibt.“

Das gilt entsprechend für Brokkoli, Zucchini, Gurken und Lauch, sagt Brückner. Profiteure gibt es kaum durch das extreme Wetter. Dem Großteil des Waldes gefällt das viele Wasser gut, sagt der Bund Naturschutz. Und: In Sachsen gibt es jetzt schon Pilze, die sonst erst im Herbst zu finden sind.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.