Für die Armen: Knackis stricken 1,6-Kilometer-Schal

Inhaftierte Frauen aus dem Würzburger Gefängnis wollen zum 1. Advent einen Schal aus einzelnen Stücken stricken – die bekommen Obdachlose
Valentin Niebler |
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Masche an Masche, wollig und fröhlich, so wollen die Frauen anderen Menschen eine Freude machen.
dpa Masche an Masche, wollig und fröhlich, so wollen die Frauen anderen Menschen eine Freude machen.

 

WÜRZBURG Zwölf Frauen sitzen um einen Holztisch. Es wird gewitzelt, laut gekichert und vor allem fleißig gestrickt. In einer Küche, umfunktioniert zur Strickwerkstatt, tüfteln sie an einem kuriosen Projekt: Sie wollen einen superlangen Schal für Bedürftige herstellen. Das 1,6 Kilometer lange Stück soll am 1. Advent (27. November) einmal um die Mauern des Gefängnisses in Würzburg gewickelt werden. Und dort, hinter den Mauern, entsteht der Schal auch: Verurteilte Frauen stricken die etwa 1000 Einzelteile des mollig warmen Riesenschals, die später an Obdachlose und Asylbewerberheime gespendet werden sollen.

„Der letzte Winter war kalt und ungemütlich. Da kamen wir auf den Gedanken, für Menschen zu stricken, denen es noch schlechter geht als uns“, erzählt Insassin Petra, die seit Januar bei der Aktion mitmacht. 30 Schals hat die 43-Jährige schon gestrickt, manchmal schafft sie 5 pro Woche. „Das Gefängnis ist sicher keine heile Welt“, sagt sie, „aber wir haben es zumindest warm und trocken hier. Für manche Menschen ist das keine Selbstverständlichkeit.“   

Konzentration und Zielstrebigkeit

Die gelernte Erzieherin Ingrid Pollak kommt regelmäßig in die JVA, wo sie das Projekt ehrenamtlich betreut. „Mit der Aktion soll ein Zeichen gesetzt werden. Nicht nur für Bedürftige in Not, sondern auch für Gefangene, die eine soziale Seite haben.“ Oft würden die Insassen nur als Täter, selten als Menschen gesehen, sagt die 61-Jährige. Die ungewöhnliche Strickaktion hat mittlerweile auch außerhalb der Gefängnismauern Wellen geschlagen: „Vom Allgäu bis Hamburg bekommen wir Schals geschickt“, erzählt Pollak. Noch ist der 27. November weit weg, aber die Häftlinge müssen sich ranhalten. „Wir müssen noch einmal Gas geben, wenn wir die 1,6 Kilometer bis zum Advent zusammen haben wollen“, sagt Insassin Petra.

600 Meter sind bereits fertig, 1000 weitere stehen noch aus. „Ich stricke jetzt sogar auf der Zelle, einfach weil es Spaß macht.“ Ein Ziel vor Augen zu haben, sei sehr motivierend. Petra muss in der JVA noch etwa ein Jahr Haftstrafe verbüßen. Sie sitzt ein, weil sie mehrmals gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat – „zu viel Schwarzfahren“, sagt sie. Gefängnisleiter Robert Hutter war anfangs etwas verwundert über die kuriose Idee, findet das Engagement der emsigen Gefangenen aber klasse. „Viele Insassen hier haben mit Drogenproblemen zu kämpfen. Projekte wie diese geben den Gefangenen Kraft, sie fördern Konzentration und Zielstrebigkeit“, erklärt Hutter.

Um die Strickerinnen anzuspornen, hat er eine Wette laufen: Wenn sie tatsächlich bis zum 1. Advent fertig werden, muss er ihnen einen Kuchen backen. Den Frauen reicht das nicht – sie haben eine ganz andere Idee. „Eine gemischte Feier mit den Männern, das wäre doch toll“, scherzt eine Insassin.

 

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