Fünf Gründe für die Club-Misere
Große Fluktuation, formschwache Leistungsträger, harmlose Standards, mangelhafte Spieleröffnung, keine Flexibilität: Dies alles muss Trainer Oenning in der Griff bekommen, will er noch aufsteigen
NÜRNBERG Freier Tag – Zeit um die Wunden zu lecken und vielleicht in Klausur zu gehen. Denn so wie es derzeit läuft beim Club, kann es nicht weitergehen, soll das erklärte Saisonziel, der Aufstieg, noch realisiert werden. Es gibt viele Gründe, warum der 1. FCN erst acht von 22 Spielen in dieser Saison gewonnen hat – und nur höchst selten überzeugend aufgetreten ist. Die permanente Torflaute, nur 30 Treffer (soviel hat auch der Tabellenvorletzte Hansa Rostock geschafft): Nur die Spitze des Eisbergs der Unzulänglichkeiten. Die AZ nennt sie.
Viele Fehleinkäufe, keine Struktur
Wechselspiele: Bereits nach zwei Spieltagen wurde Trainer Thomas von Heesen gefeuert, weil der aus privaten Gründen anderes im Kopf hatte, als sich um den Club zu kümmern. Der Haken an der Sache: Von Heesen hatte die Mannschaft zusammengestellt und die komplette Vorbereitung bestritten. Sein damaliger Co-Trainer Michael Oenning übernahm eine verunsicherte Truppe, in der sich einige Akteure tummelten, mit denen in der Zweiten Liga kein Blumentopf zu gewinnen war. Ioannis Masmanidis fehlte die Fitness und die Einstellung. Mario Breska fühlte sich in Nürnberg ebenso wenig wohl wie Angelos Charisteas oder Jacques Abardonado. Die Lust verloren hatte Robert Vittek. José Goncalves geht bestenfalls als Auszubildener durch. Seine Fehlerquote? Beängstigend. Die Australier Matthew Spiranovic und Dario Vidosic konnten bislang auch nicht den Nachweis erbringen, warum der Club in Person von Ex-Trainer Hans Meyer sie unbedingt aus Australien holen musste. Spieler dieser Güte gibt’s in jeder deutschen Regionalliga, also auch bei den Club Amateuren.
Oenning und FCN-Sportdirektor Martin Bader versuchten in der Winterpause die verfehlte Personalpolitik zu korrigieren. Sie setzten dabei überwiegend auf sehr junge, allerdings gut ausgebildete Profis. Schon hatte Oenning wieder eine neue Mannschaft, in der, wie zu sehen, wenig zusammenpasst. Zwar kehrte mit dem langzeitverletzten Andreas Wolf der Abwehr-Stabilisator (zwei Auftritte, jeweils null Gegentore) zurück. Aber an der bisweilen chaotischen Spielweise änderte sich wenig. Die Mannschaft tritt auf, als stünde sie am Beginn der Vorbereitung und sei kaum eingespielt. Automatismen? Fehlanzeige.
Seit zweit Jahren kein Standard-Tor für den Club
Klägliche Standards: Auf ein Freistoß-Tor warten die Club-Fans seit gut zwei Jahren. Die Ecken bringen mehr Gefahr fürs eigene Tor als für das des Gegners. Oenning und sein Co-Trainer Peter Hermann versichern zwar Woche für Woche, dass die Mannschaft im Training gut arbeitet. Das Resultat, der Auftritt in den Punktspielen, verrät davon nichts.
System Oenning hält, ungeachtet der jeweiligen Personal-Situation an seinem 4-4-2 fest. Das müsste nicht sein. Der Club hat mit Christian Eigler einen Liga-tauglichen Angreifer, der vom Typ her eher ein Konter-Stürmer ist. Nachdem sich gegen den vor der Saison zum „Top-Favoriten“ erklärten FCN aber alle Teams eher defensiv verhalten, kommen Konter selten vor. Sein Sturm-Partner Isaac Boakye, Typ Alleinunterhalter, blieb bislang den Beweis schuldig, dass er dem Club wirklich weiterhelfen kann. Bei aller Einsatzfreude Boakyes: Fußball bleibt ein Mannschaftssport.
Dabei hätte Oenning Alternativen – nämliche jede Menge offensive Mittelfeldspieler. Angefangen beim zugegeben formschwachen Marek Mintal, über Mike Frantz, Allrounder Peer Kluge, Daniel Gygax oder Marcel Risse. Warum also nicht mit einem Stürmer und drei offensiven Mittelfeldspielern agieren, wenn schon die Angreifer knapp werden?
Das "Phantom" ist nur noch ein Schatten seiner selbst
Mangelhafte Spieleröffnung: Weder Joe Mnari, vor noch gar nicht langer Zeit eine ballsichere Anspielstation, noch Peter Perchtold oder Juri Judt schafften es auf der Schlüsselposition vor der Abwehrkette, Struktur ins FCN-Spiel zu bringen. Warum bleibt rätselhaft. Vor allem der Leistungsabfall von Mnari, immerhin 44-facher Nationalspieler und mit Tunesien 2004 Afrikameister, ist unerklärlich.
Formschwache Leistungsträger: Neben Mnari gilt dies auch für Javier Pinola und Marek Mintal. Pinola scheint sich mit Zweiten Liga überhaupt nicht anfreunden zu können. Er entschuldigte sich sogar bei Trainer Oenning für seinen schwachen Auftritt im Spiel gegen Wehen. Mintal fasste nach seinem Mittelfußbruch nie mehr richtig Tritt. Zur Erinnerung: Marek war einmal Torschützenkönig der Ersten und der Zweiten Liga. Aktuell stehen für ihn sechs Saisontreffer zu Buche. Das Phantom ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
Prognose: Nach 22 absolvierten Spieltagen fehlen dem Club satte sieben Punkte auf einen Aufstiegsplatz. Nur gegen Kaiserslautern (3:0) Rostock (4:0) und in Ingolstadt (3:0) gelangen überzeugende Siege. Wobei in Ingolstadt der einzige Auswärtserfolg überhaupt in dieser Spielzeit gelang. Insgesamt holte der Club nur neun magere Pünktchen in der Fremde. Dies alles deutet nicht auf ein Gelingen der erhofften Aufholjagd hin.
Apropos Hoffnung. Die haben Bader und Oenning noch nicht aufgeben, auch wenn alle Fakten dagegen sprechen und das Führungstrio der Liga, Freiburg, Mainz und Fürth, relativ stabil wirkt. „Wir haben unser Ziel nicht korrigiert“, sagt Bader. Er sagt aber auch: „Wir planen zweigleisig.“
Sehr vernünftig. Denn momentan (und nach wie vor) deutet nahezu alles auf eine zweites Jahr in der Zweiten Liga hin. Leider! ERG