Friedhofs-Schock: Sie machen die Urnen unserer Toten zu Geld!
NÜRNBERG - Urnen von Toten aus aufgelassenen Gräbern sollen als Altmetall weiterverkauft worden sein. Die Stadt hielte mit dem Erlös die Friedhöfe instand – Vorwurf von Insidern: Früher wurden so Faschingsparties finanziert.
Der Stadt droht nach dem so genannten Zahngold-Skandal ein neuer Friedhofs-Schock: So sollen Urnen von Toten aus aufgelassenen Gräbern als Altmetall weiterverkauft worden sein. Besonders pietätlos: Aus dem Erlös dieses Urnenverkaufs sollen Weihnachtsfeiern, Faschingsparties oder Volksfestvergnügen für die Friedhofsangestellten bezahlt worden sein. So zumindest schreibt es ein Insider in einem anonymen Brief, der der Abendzeitung vorliegt.
Der Hintergrund des ziemlich unsensiblen Geschäfts: Wenn die Gräber nach Ablauf der Nischen aufgelöst werden, wird die verplombte Asche in Sammelgräbern beerdigt. Die Urnen – viele aus kostbarem Kupfer – werden dann ein halbes Jahr im Keller des Südfriedhofes aufbewahrt. „Wenn sich niemand meldet, der ein Anrecht darauf hat, kommen die Urnen in den Altmetallschrott und werden beim Schrotthändler verkauft“, erklärt Bestattungsamts-Chef Günther Gebhardt. Das Geld, so Gebhardt, solle dem Friedhofs-Unterhalt zugute kommen. So zumindest ist der Stand heute.
Gold-Mafia
Insider aber berichten Vorgänge aus den vergangenen Jahren, die fatal an die Gold-Mafia erinnern. Zur Erinnerung: Bis 2006 hatten Friedhofsschaffner vom Krematorium des Westfriedhofs das Zahngold aus der Asche der Verbrannten geklaubt – und durch den Verkauf bis zu 16000 Euro Plus im Monat gemacht (siehe unten).
Auch beim Urnenverkauf soll kaum etwas zur Instandhaltung der Gottesäcker verwendet worden sein, so die Vorwürfe. Mit dem Geld soll stattdessen beispielsweise die Weihnachtsfeier des Südfriedhofs im Jahr 2005 für 1600 Euro bezahlt worden sein. Die Vorwürfe reichen bis 2006, als der Zahngoldskandal ans Licht kam. 3000 bis 4000 Euro seien immer in der „Urnen-Kasse“ gewesen, so der Insider. Neuigkeiten für Stadtkämmerer Wolfgang Köhler (CSU), in dessen Bereich das Bestattungsamt fällt. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er. „Die Stadt wickelt schließlich keine Bargeldgeschäfte ab.“ Daran hat sich, wie man weiß, auch die Zahngold-Bande nicht gehalten.
Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelte
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg wusste um das umstrittene Geschäft mit den von Trauernden gezahlten Urnen. Sie ermittelte – und stellte das Verfahren 2007 ein, „weil kein Anfangsverdacht für eine Straftat bestand“, so Justiz-Sprecher Andreas Quentin. Wobei es keine Rolle spiele, für welchen Zweck das Geld verwendet werde.
Nach dem Zahngoldskandal erwartet der Nürnberger eine genaue Kontrolle über die Vorgänge auf den 21 städtischen Friedhöfen. So kommt der Erlös von Zahngold heute gemeinnützigen Zwecken zu. Auf die Frage, ob es denn Kontrollen auch beim Urnen-Verkauf gäbe, verweist Gebhardt auf die Verantwortung der Friedhofsverwalter und Abteilungsleiter vor Ort. Doch wo Menschen am Werk sind, ist Missbrauch nicht auszuschließen. Gebhardt: „Wenn ich heute begründete Hinweise auf solche Vorgänge hätte, würde ich die Kripo einschalten.“
Susanne Will
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