Frankens schnellster Stadtrat

Berglauf-Weltmeister Paul Sichermann aus Ansbach ist 45 und deklassiert regelmäßig die jüngere Konkurrenz
von  Abendzeitung
Sichermann bei einem Marathon in Graubünden 2008.
Sichermann bei einem Marathon in Graubünden 2008. © privat

Berglauf-Weltmeister Paul Sichermann aus Ansbach ist 45 und deklassiert regelmäßig die jüngere Konkurrenz

ANSBACH „Ein Unikum“ ist der Paul Sichermann, „ein Phänomen“. Sagt einer der es wissen muss: Günther Topf ist der Sportmediziner beim TSV 1860 Ansbach. Er betreut Sichermann seit über 20 Jahren. „Das Phänomen“ ist mittlerweile 45 Jahre alt – aber zählt nach wie vor zu den besten Bergläufern Europas. Im August sicherte sich der Ansbacher im polnischen Korbielow einmal mehr den Weltmeistertitel seiner Altersklasse. Und deklassierte dabei noch ganz nebenbei alle Teilnehmer der beiden unteren Altersklassen.

Ein Phänomen aus sportmedizinischer Sicht ist Sichermann, weil ihm als Hochleistungssportler Training nach Lehrbuch ziemlich egal ist: „Ich trainiere nach Tagesform.“ Einzige Konstante: Sichermanns täglicher Weg zur Arbeit. Die sechs Kilometer hinab von seinem Heimatstadtteil Meinhardswinden durch den Ansbacher Kessel und den ziemlich steilen Strüther Berg hinauf zum Krankenhaus, wo Sichermann Pflege-Chef in der Notaufnahme ist, legt er bei Wind und Wetter zurück. Natürlich im Laufschritt. In 25 Minuten, „zehn Minuten langsamer als mit dem Auto.“ Für seinen WM-Lauf – acht Kilometer über 960 Höhenmeter – benötigte er übrigens nur 45 Minuten und 28 Sekunden.

Haushügel-Training für den Transalpine-Run

So schnell wie Sichermanns Beine kann auch sein Mundwerk sein: Zwar hält der ödp-Abgeordenete im Stadtrat „die Klappe, wenn ich nicht Fachmann für ein Thema bin“. Wenn aber doch, wird er deutlich: „Scheiß G8“ sagt der Vater dreier Töchter und erklärte Konservative zur Reform des bayerischen Gymnasiums. Der neue Leistungsdruck sei der Grund, warum Kinder immer unsportlicher werden, „für körperliche Arbeiten kaum zu gebrauchen“ seien und „langfristig das Krankenkassen-System gefährden“. Seine eigenen Töchter und seine Frau konnte der Mann vom TSV Ansbach noch nicht mit dem Lauf-Virus identifizieren. Er freut sich aber, dass sie seiner Leidenschaft „sehr tolerant“ begegnen.

In Sachen Berglaufen hat der Nebenerwerbslandwirt nach seinem Triumph von Korbielow ein paar Gänge zurück geschaltet. Er will „nur noch drei bis fünf Wettkämpfe im Jahr“ laufen und aber irgendwann den Transalpine-Run, einen mehrtägigen Mehrfach-Marathon quer über die Alpen. Um sich darauf vorzubereiten, braucht er kein Hochgebirge, seine Ansbacher Haushügel genügen dem „Phänomen“.

Steffen Windschall

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