Frankens 1. Medaille

Aufatmen bei den Schützen: Bronze für Munkhbayar Dorjsuren. In der Mongolei aufgewachsen, lebt sie jetzt in Schweinfurt. "Ich hoffe, mit meiner Medaille ist der Druck für die anderen weg."
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Die in Schweinfurt lebende Schützin Munkhbayar Dorjsuren bejubelt ihre Bronzemedaille im Kleinkaliber. Es war die erste Medaille der deutschen Schützen und zugleich das erste Edelmetall für Franken in Peking.
dpa Die in Schweinfurt lebende Schützin Munkhbayar Dorjsuren bejubelt ihre Bronzemedaille im Kleinkaliber. Es war die erste Medaille der deutschen Schützen und zugleich das erste Edelmetall für Franken in Peking.

PEKING - Aufatmen bei den Schützen: Bronze für Munkhbayar Dorjsuren. In der Mongolei aufgewachsen, lebt sie jetzt in Schweinfurt. "Ich hoffe, mit meiner Medaille ist der Druck für die anderen weg."

Erst schaute sie skeptisch zur Anzeigetafel, dann streckte sie beide Arme mit Victory-Zeichen nach oben und umarmte den Bundestrainer. Der große Gefühlsausbruch folgte aber in der Mixedzone, als sich Munkhbayar Dorjsuren nach dem Gewinn der Bronzemedaille mit ihrer weinenden Tochter Ujin minutenlang in den Armen lag. Dass die gebürtige Mongolin in Peking mit der Sportpistole die erste Olympia-Medaille für die deutschen Pistolenschützinnen in der Olympia-Geschichte geholt hatte, war für sie in dem Moment nebensächlich. Sie sei einfach nur froh über ihren dritten Platz.

„Und ich bin glücklich, dass ich endlich mal mein Kind hier dabei habe. Olympische Spiele sind das Größte. Das sollte sie erleben“, sagte die in Schweinfurt lebende Ausnahme-Schützin, die gewissermaßen Frankens erste Medaille in Peking holte. Das hübsche 14-jährige Mädchen war „so stolz auf meine Mama“ – und wischte sich mit einer kleinen schwarz-rot-goldenen Fahne immer wieder ihre Freudentränen ab.

1992 Bronze für die Mongolei

Die 39 Jahre alte Bundeswehr-Sportsoldatin musste beim letzten Finalschuss noch eine Schrecksekunde erleben. „Der war sehr spät. Mir ist fast das Herz stehen geblieben“, sagte Bundestrainer Peter Kraneis, dem der Schreck noch lange danach ins Gesicht geschrieben stand. „Munk“ selbst sah das gelassen: „Es war doch noch eine Zehn.“ „Endlich“, stammelte die Bronze-Gewinnerin – um kurz darauf wieder die Fassung zu gewinnen. „Immerhin ist es 16 Jahr her, dass ich bei Olympia eine Medaille gewonnen habe. Die wollte ich unbedingt. Aber eigentlich in einer anderen Farbe. Ich wollte Rang zwei aus dem Vorkampf behalten“, betonte Munkhbayar Dorjsuren, die 1992 in Barcelona noch Bronze für die Mongolei gewonnen hatte.

Deshalb sei sie etwas traurig. Trotzdem habe sich für sie ein Traum erfüllt. Dafür habe sie hart trainiert, rund 20 000 Schuss in diesem Jahr. Die Grundlage für den ersten greifbaren Erfolg der deutschen Schützen in Peking legte Dorjsuren mit einer persönlichen Jahresbestleistung von 587 Ringen im Vorkampf. Nach der Siegerehrung begann die Jubeltour mit diversen Fernsehauftritten bei der ARD bis hin zum Deutschen Haus. Munkhbayar Dorjsuren ist wie ihre ganze Familie eine echte Weltbürgerin. Nach ihren ersten Jahren in der Mongolei lebte sie vor ihrer Einbürgerung 2002 lange in Deutschland. Mit ihrem Trainer und Lebensgefährten Matthias Hahn hat sie einen Zweitwohnsitz im finnischen Kuortane, wo Hahn als Chefcoach für die finnischen Pistolen-Schützen tätig ist.

In der Bundesliga ist das Duo für den SV Kelkheim-Gmünd aktiv. Vor vier Jahren wurde die Trägerin des Silbernen Lorbeerblatts noch als eine der ältesten Sportlerinnen überhaupt in eine Bundeswehr-Sportfördergruppe aufgenommen. Stationiert ist sie im oberbayerischen Neubiberg. Zum Schießen war Munkhbayar Dorjsuren in der mongolischen Hauptstadt eigentlich mehr durch Zufall gekommen. Mit ihrer Schulklasse besuchte sie den einzigen Schießstand in Ulan Bator – in den 80er Jahren als Geschenk der DDR errichtet. Dabei muss ihr großes Talent aufgefallen sein.

"Das Leben hier ist geregelter"

Bereits 1992 gewann sie mit Bronze die erste Olympia-Medaille einer mongolischen Frau. Seit 1995 wohnt sie in Deutschland. In Leipzig lernte sie Deutsch und begann ein Studium. Für Bundestrainer Peter Kraneis aus Leipzig eine willkommene Gelegenheit, „Munk“ als Trainingspartner zu verpflichten. Nach drei Olympia-Starts für ihr Geburtsland bemühte sie sich um den deutschen Pass. „Das war meine freiwillige Entscheidung. Das Leben hier ist geregelter als zu Hause. Dort ist es sehr schwer“, erzählte die Pistolen-Schützin.

Dass sie dafür in der Mongolei sehr viel Kritik einstecken musste, schmerzt sie noch immer. „Ich wurde beleidigt. Mir wurde unterstellt, dass ich mich hätte kaufen lassen. Das war wirklich deprimierend“, erinnert sie sich. Inzwischen sei das aber anders, auch weil immer mehr Mongolen ihre Kinder ins Ausland schicken. 2002 bekam sie die deutsche Staatsbürgerschaft – und schon drei Wochen später wurde sie erstmals für Deutschland Weltmeisterin. Sportdirektor Heiner Gabelmann („Sie hat gezeigt, dass der internationale Weg, den sie geht, richtig sein kann“) Freude sich besonders, dass nach acht Wettbewerben ohne einen einzigen deutschen Finalplatz eine die erste Medaille gewann, die „immer Leistung von sich und anderen fordert“.

Mit ihrer teilweise offenen Kritik war Dorjsuren schon häufig mit dem Deutschen Schützenbund (DSB) aneinandergeraten, jetzt soll sie in Peking als Vorbild dienen. Heute wollen die Weltmeister Sonja Pfeilschifter (Dreistellungskampf) und Christine Brinker (Skeet) mindestens aufs Treppchen, am Samstag wird von Ralf Schumann sein viertes Olympiagold erwartet. Schließlich, so Gabelmann, „haben wir einiges gutzumachen“. Munkhbayar Dorjsuren hat ihre Mission derweil erfüllt: „Ich hoffe, mit meiner Medaille ist der Druck weg. Jetzt können die anderen entspannt schießen.“ Und sie kann gemeinsam mit ihrer Tochter Olympia als Zuschauerin genießen.

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