Franken-Taliban: Wie viele potenzielle Terror-Bomber leben hier?

Der Franken-Taliban: Cüneyt C. unterhielt enge Kontakte zu Terrorzellen. Die Spuren des »Märtyrers« und Hasspredigers führen nach Nürnberg. Er war wohl alles andere als ein Einzeltäter.
NÜRNBERG Der internationale Terrorismus macht auch um Franken keinen Bogen. Vor allem die islamistischen Netzwerke bereiten den Behörden große Sorgen. „Sie sind trotz aller Bemühungen unverändert handlungsfähig“, sagte gestern Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Das blutige Beweisstück dafür lieferte der aus Ansbach stammende Cüneyt C. (28), der sich und vier Soldaten bei einem Selbstmordanschlag in Afghanistan vor zwei Wochen in die Luft sprengte (AZ berichtete). Der Schock-Report: Der Deutschtürke aus Franken war den Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) zufolge alles andere als ein Alleintäter...
Cüneyt C. unterhielt enge Kontakte zu der als hoch gefährlich eingestuften Terrorzelle der Islamischen Dschihad Union (IJU). Bei IJU-Mitgliedern wurden riesige Mengen von Materialien gefunden, die zur Bombenherstellung geeignet sind. Vor Cünyet C. kam bereits ein anderes Mitglied dieser Gruppe bei einem „Märtyrer-Attentat“ in Afghanistan ums Leben.
Süddeutschland als Terror-Basis?
Nach Erkenntnissen des Innenministeriums gibt es im Freistaat etwa 5500 islamistische Extremisten. 500 davon sind gewaltbereit, 50 stehen in Kontakten zu Terror-Netzwerken wie El Khaida und haben eine Ausbildung in Trainigslagern absolviert. Ansar el-Islam gehört nach Einschätzung der Verfassungsschützer zu jenen Organisationen, die Kontakte zu Osama bin Laden unterhalten. Vor allem Süddeutschland gilt als Operationsbasis dieser Extremisten-Gruppe. Viele der rund 100 Anhänger sollen in Nürnberg, München und Augsburg leben.
Hassan Abdulla ist einer davon. Als anerkannter Flüchtling lebte der aus dem Nordirak stammende Kurde in der Nürnberger Südstadt und saß eine zeitlang sogar im Ausländerbeirat der Stadt. Sein wahres Gesicht konnte er lange verbergen: Er warb für den Dschihad (Heiligen Krieg), hetzte gegen Israel, und sammelte Geld für seine Gesinnungsbrüder.Ebenfalls zu Ansar el-Islam zählt Dieman I. (41). Er trat im Islamischen Kulturzentrum in Nürnberg-Gostenhof als Hassprediger auf. Das Oberlandesgericht München verurteilte ihn im Sommer letzten Jahres zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis.
Auch der Imam des Islamischen Zentrums Nürnberg, Hassprediger Mohamend E., fiel durch seine Terrorismus freundlichen Aktivitäten auf. Er musste auf Druck der Behörden das Land verlassen.
Der Organisation Tabligh-i- Jamaat wird ebenfalls die Unterstützung islamistischer Terroristen vorgeworfen. Zwei Bosnier aus dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen und ein Marokkaner aus Forchheim, die den Heiligen Krieg ausriefen, wurden vor zwei Jahren von den Behörden in ihre Heimatländer abgeschoben.
Milli Görüs in Nürnberg
Gefährliche Aktivitäten entwickelt offenbar auch die islamische Gemeinschaft „Milli Görüs“, die vom Verfassungsschutz überwacht wird. Sie hat in Nürnberg etwa 1000 Mitglieder. Ebenfalls überwacht wird die Islamische Gemeinschaft Deutschland (IGD).
In Stuttgart hat gestern ein Prozess gegen fünf führende Mitglieder der Terror-Organisation DHKP-C begonnen, die für zahlreiche Tötungsdelikte und Brand- und Sprengstoffanschläge in der Türkei verantwortlich sein soll. Einer der Angeklagten, Mustafa A., war zeitweise für die Aktivitäten der Terrorhelfer in Nürnberg zuständig.
Internet als wichtige Basis.
Eine besondere Rolle bei der Aufheizung der Islamisten spielen nach Innenminister Herrmanns Aussagen die Internet-Seiten der Global Islamic Media Front (GIMF) – und sogenannte „Online-Universitäten“, die einschlägiges Fachwissen zu Themen wie Waffenkunde, Bombenbau oder konspirative Kommunikation anbieten.
Um der Bedrohung durch islamistischen Extremismus begegnen zu können, wurde in Bayern eine Arbeitsgruppe (Birgit) eingerichtet, der der Verfassungsschutz, das Landeskriminalamt und diverse andere Behörden angehören. Auch ein Fachmann der Stadt Nürnberg ist vertreten. Notwendig scheinen derartige Maßnahmen zu sein. Ein Nürnberger Terror-Experte sagte zur AZ: „Der internationale Terrorismus ist näher bei uns, als viele glauben.“
Helmut Reister