Forderung nach Maskenpflicht und Öffnung großer Geschäfte

Am Ende seien sich CSU und Freie Wähler im Anti-Corona-Kampf immer zu 100 Prozent einig, hatte Markus Söder zuletzt betont. Kurz darauf gibt es merkliche Differenzen. Droht nun Krach hinter den Kulissen?
dpa |
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München (dpa/lby) – In Abweichung von der gemeinsamen Koalitionslinie mit der CSU fordern die Freien Wähler eine rasche Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr. Das soll eine Öffnung auch von größeren Geschäften "zeitnah ab dem 4. Mai" ermöglichen. Zudem verlangen die Freien Wähler unter Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger als Vorsitzendem, dass auch Gaststätten schrittweise öffnen dürfen, "beginnend noch im Mai". Man fordere "eine sofortige Anpassung der Corona-Strategie in Bayern", teilten die Freien Wähler nach einem entsprechenden Beschluss des Landesvorstands am Wochenende mit.

Das Vorpreschen der Freien Wähler per Vorstandsbeschluss ist bemerkenswert, weil sich die Staatsregierung, in der die Freien Wähler drei Minister stellen, erst am Donnerstag, also zwei Tage zuvor, auf eine langsame Exit-Strategie aus den Anti-Corona-Maßnahmen verständigt hatte - dabei aber von einer Maskenpflicht absah.

Die Staatskanzlei wollte die Forderungen nun nicht kommentieren: Ein Sprecher war auf Nachfrage am Sonntag zu keiner Stellungnahme bereit.

Offen blieb damit zunächst, ob, wann und wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf die Forderungen reagieren würde. Ein Thema für die Landtagsdebatte an diesem Montag - Söder will erneut eine Regierungserklärung zur Corona-Krise abgeben - ist aber wohl gesetzt.

Das schwarz-orange Kabinett hatte sich am Donnerstag entsprechend der allgemeinen Bund-Länder-Linie darauf verständigt, dass es keine generelle Maskenpflicht, sondern ein "Mundschutzgebot" geben soll. Es gilt also die dringende Empfehlung, in Läden und im öffentlichen Nahverkehr Mundschutz zu tragen. Söder hatte lediglich gesagt, sollte das nicht reichen, "erwägen wir dann auch eine Maskenpflicht". Zudem entschied das Kabinett, dass ab dem 27. April zunächst nur Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von maximal 800 Quadratmetern öffnen dürfen. Bereits an diesem Montag dürfen Bau- und Gartenmärkte und Gärtnereien öffnen. Gaststätten sollen weiter geschlossen bleiben - Söder deutete zuletzt lediglich an, mit etwas Glück könnte es zu Pfingsten eine bessere Perspektive für die Hotels und Gaststätten in Bayern geben.

Nach der Kabinettssitzung hatte Söder gesagt, das Kabinett sei sich einig, "wie eigentlich in der bayerischen Koalition, Hubert, zu 99,9 Prozent immer, am Ende zu 100 Prozent". Aiwanger fügte dann hinzu: "Und dass wir natürlich irgendwann über die 800 (Quadratmeter) hinauskommen". Worauf Söder wiederum sagte: "Hofft Hubert Aiwanger."

Nun drücken die Freien Wähler also aufs Tempo. "Die Freien Wähler Bayern sprechen sich nun weiter klar und deutlich für eine zügige und kontrollierte Rückkehr zur Normalität aus", sagte Freie-Wähler-Generalsekretärin Susann Enders am Sonntag und betonte: "Das ist ein wichtiger Schritt, den wir wagen müssen, um die massiven Auswirkungen des Lockdown für Menschen und Wirtschaft abzumildern."

Eine befristete Maskenpflicht bringe "immense Vorteile", heißt es im neuen Corona-Positionspapier der Freien Wähler. "Durch die Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Maske (richtig) zu tragen, werden weitere Infektionen stark verhindert." Diese Pflicht solle für den ÖPNV und beim Einkauf gelten. "Als Maske können richtige Schutzmasken verwendet werden, jedoch auch selbstgenähte Masken, Tücher oder Schals." Enders betonte: "Jeder Bürger kann nun selbst mit anpacken und helfen, dass wir schneller und sicherer zurückfinden, als es derzeit geplant ist." Die Maskenpflicht nach dem Vorbild von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern solle erst einmal für vier Wochen gelten.

Durch eine neue Maskenpflicht "für Kunden und Verkäufer" sollen nach dem Willen der Freien Wähler auch größere Geschäfte schneller öffnen. "Das ist essenziell wichtig, um Betrieben eine Perspektive zu geben und den völligen Ruin einiger Wirtschaftszweige abzufangen", heißt es dazu in dem neuen Papier. Es soll aber ein Mindestabstand von zwei Metern und eine Beschränkung der Anzahl an Kunden in Läden gelten.

Für die Gastronomie fordern auch die Freien Wähler eine Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent. "Gastronomische Einrichtungen müssen schrittweise öffnen, beginnend noch im Mai", heißt es dann in dem Papier. "Wichtig dabei ist, dass in Gasthäusern und Biergärten die Abstandsregel von zwei Meter zwischen jedem Gast eingehalten wird. Angestellte tragen Mundschutz." Die Betreiber sollten für Hygienestandards sorgen, offene Speisen und Getränke könnten beim Weg von der Küche zum Verzehr abgedeckt werden. "Die Öffnungszeiten sollen bis spätestens 20 Uhr abends während der ersten vier Wochen gelten."

Zudem fordern die Freien Wähler Planungssicherheit für Kommunen, Landräte, Bürgermeister und Vereine. Bis Ende Juni sollten landesweit keine Vereins- oder Dorffeste stattfinden, man müsse derzeit "auf Sicht fahren". "Die Freien Wähler halten allerdings nichts davon, jetzt schon etwa bis Jahresende Veranstaltungen zu verbieten." Das Vereinsleben solle ab Juni Stück für Stück nach oben gefahren werden.

Und die Freien Wähler fordern viel mehr Corona-Tests, Schnelltests und Antikörpertests. "Mittelfristig sollte jeder Bayer durch Tests die Möglichkeit bekommen, zu wissen, ob er/sie aktuell an Corona erkrankt ist oder bereits eine Immunität besteht", sagte Enders.

Die Freien Wähler betonen als Fazit in ihrem Positionspapier: "Wir können nicht auf Dauer im Krisenmodus erstarren. Jetzt gilt es mutig, aber weiterhin mit Vorsicht zu handeln." Sollten infolge der Lockerungen die Infektionen wieder massiv ansteigen, müsse neu entschieden werden. "Hier gilt weiterhin Mensch vor Wirtschaft."

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