Flocken mit Flocke

NÜRNBERG - Am Dienstag wird das Nürnberger Eisbärmädchen der Öffentlichkeit vorgestellt. Höhepunkt einer unheimlichen und profitablen Faszination. Hunderte Firmen wollen Millionen mit Flocke machen. Deshalb hat sie einen eigenen Manager.
Flockes Manager ist 46 Jahre alt und Verwaltungsbeamter der Stadt Nürnberg. Im Showbiz kennt sich Ronald Höfler wenig aus. Normalerweise kümmert er sich um die Feuerwehr, die Schwimmbäder und das Stadion.
Doch jetzt spielt der freundliche Familienvater in einer Liga mit Manager-Größen wie Uli Hoeneß: Ronald Höfler ist für die Vermarktung von Eisbär-Baby Flocke zuständig. Ein Millionen-Auftrag!
Berlin: Fünf Millionen durch Knut
Der Berliner Zoo hat gezeigt, wie man mit einem Eisbären Geld verdient: Knut brachte dem Zoo im vergangenen Jahr fünf Millionen Euro mehr Umsatz, die Aktie des Tiergartens verdoppelte ihren Wert.
Doch Flocke-Manager Höfler tritt auf die Bremse: „Wir wollen keine maximale Vermarktung“, behauptet er. Den Vorwurf, das Tier gnadenlos für Vermarktungszwecke auszuschlachten, will er sich nicht machen lassen. Die Markenrechte hat sich die Stadt – so viel Geschäftssinn muss sein – freilich sichern lassen. Wer mit Flocke werben will, muss eine Lizenz beantragen. Außerdem müssen Regeln eingehalten werden: „Flocke steht für Klimaschutz, Artenschutz, sehr viel Unschuld und Harmonie“, beschreibt Höfler sein Produkt. Deshalb müssen Flocke-Produkte schadstofffrei und ohne Kinderarbeit hergestellt sein.
Der Goldgräberstimmung tut das keinen Abbruch. 408 Angebote hat Höfler bekommen – 21 Lizenzverträge hat er schon unterzeichnet. Wenn Firmen gegen die Verträge verstoßen oder erst gar keine abschließen, zerrt der sonst so nette Höfler sie vor Gericht.
Wenn Flocke am Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt wird, kommt das Eisbär-Baby zeitgleich als Steiff-Stofftier auf den Markt. „Das wird der Renner“, glaubt der sonst so zurückhaltende Vermarkter Höfler. Ebenfalls seit dieser Woche bietet Quelle als „offizieller Lizenznehmer“ T-Shirts, Fleece-Decken und Nachthemden mit dem putzigen Tierchen aus Nürnberg an. Natürlich, betont Manuela Proske von Quelle, mache man die Sache mit Flocke nur, weil man sich für den Klimaschutz einsetze, Nachhaltigkeit toll finde und außerdem dem klammen Zoo unter die Arme greifen wolle. Später erst sagt sie, dass die Absatz-Kurve ab heute „ordentlich nach oben“ gehen soll.
Kommt das Flocke-Eis?
Auch zwei Spielwaren-Firmen haben sich die Flocke-Lizenz gesichert. „Im Moment führen wir Verhandlungen mit einem Unternehmen, das ein Flocke-Eis auf den Markt bringen will“, sagt Höfler.
Laut Lizenzvertrag verdient die Stadt Nürnberg an jedem Produkt zwischen acht und 15 Prozent. Die Touristen-Zahlen soll jetzt steigen, die Besucherzahlen des Zoos sowieso.
Alterungsprozess bald ein Hindernis?
Nur Klaus-Dieter Koch ist skeptisch. Der Inhaber der Nürnberger Markenstrategieberatung Brand Trust findet, dass Flocke sich nur für schnell produzierte Süßigkeiten oder Stofftiere eignet. Schuld sei Flockes Alterungsprozess: „Bis ein Computerspiel produziert ist, ist die ganze Niedlichkeit weg“, sagt Koch. Das hat Eisbär Knut bitter erfahren müssen. Er ist jetzt nicht mehr süß und weiß, sondern grau und gefährlich. Ein großes Plus hat er gegenüber Flocke, meint Koch: „Knut hatte den Vorteil, dass er der erste war.“ Das hat auch Ronald Höfler erkannt. Er meint über Flocke: „Das ganze ist eine hoch emotionale Welle, im Moment. Ob das ganze auf die Vermarktung überspringt, wissen wir nicht.“
Volker ter Haseborg