Fischerwirt am Kochelsee: Wildgulasch mit Anti-Corona-Parolen
Wer sich in ein urgemütliches Wirtshaus am Kochelsee setzt und die Speisekarte aufschlägt, erwartet auf der ersten Seite ein kitschiges Bild. Oder die Historie des Hauses. Vielleicht auch einfach die Vorspeisen. Nicht jedoch Stimmungsmache gegen die Corona-Politik und Verweise auf Verschwörungsideologien und Seiten von Corona-Leugnern.
In der Speisekarte, aber auch auf zahlreichen Aushängen steht: "Wir zwingen niemanden zum Tragen einer Maske, die Ihnen der Gesetzgeber aufnötigt" und "Gesundheitsdaten wie Impfpässe, Atteste oder Testnachweise möchten und dürfen wir aus Datenschutzgründen nicht einsehen oder abfragen". Zahlreiche Links verweisen auf Plattformen wie BitChute – dort landen Videos, die von Youtube und Co. wegen Verstößen gegen die inhaltlichen Richtlinien gesperrt wurden. In den vom Fischerwirt verlinkten Clips fallen Sätze wie "Es ging nie um unsere Gesundheit. Wir haben keine Pandemie."

Fischerwirt in Schlehdorf: Corona findet hier nicht statt
Bevor wir bestellen, spielt sich folgende Szene ab: Fünf Kinder im Grundschulalter rennen zur Tür hinein, sie bestellen Eis. Auf dem Weg nach draußen versperrt ein Kellner ihnen den Weg: "Nehmt’s die Masken ab Kinder, bitte, die tun euch nicht gut. Wirklich." Er sagt es mit Nachdruck, seine Stimme klingt ernsthaft besorgt. Er selbst trägt im Innenraum keinen Mund-Nasen-Schutz. Zögernd, aber ohne Widerworte, ziehen die jungen Buben und Mädchen die Masken ab. Der Kellner lässt sie ziehen.

Wie man auf Seite eins der Karte erfährt, reklamiert ein Großteil des Bedienpersonals "für sich den Ausnahmetatbestand nach IfSG (Infektionsschutzgesetz, d. Red.)" und serviert in geschlossenen Räumen ohne Mund-Nasen-Schutz. Die Wirtefamilie rechtfertigt dies damit, dass man im Gastraum "Serviertische" eingerichtet habe beziehungsweise die Bestellungen am Tischrand servieren würde, um eine Selbstbedienungssituation zu konstruieren und damit die Maskenpflicht zu umgehen. In der Realität lassen sich unmaskierte Kellnerinnen und Kellner beobachten, die Mahlzeiten und Getränke vorpandemisch-punktgenau vor den Gästen servieren.
Der Fischerwirt ist bei "Querdenkern" beliebt
Liebhabern des Tölzer Landes ist das Wirtshaus schon seit geraumer Zeit ein Begriff, seit 1993 wird hier traditionell bayerisch gekocht. Seit rund einem Jahr zieht der Fischerwirt durch seine Corona-Haltung effektiv eine viel spitzere Zielgruppe an, bedient diejenigen, die sich nicht an die Corona-Regeln halten wollen. Das Restaurant diffamiert Regierung und Corona-Forschung, Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie werden ignoriert und verhöhnt. An verschiedenen Stellen im Gasthaus finden sich Links und Aufrufe zu entsprechenden Petitionen.

Und tatsächlich: Reichlich Lob in den Google-Rezensionen für den Widerstand gegen die Corona-Regeln und das Verzichten auf Masken und Kontrollen zeigen, dass der Fischerwirt auch bei Sympathisanten der sogenannten "Querdenker"-Bewegung bekannt und regelrecht zur Pilgerstätte geworden ist. Vereinzelt findet sich zwischen den Kommentaren auch Kritik. Der Wirtin selbst wollte nicht mit der Abendzeitung sprechen, telefonische wie schriftliche Anfragen für eine Stellungnahme blieben unbeantwortet.
Das sagen die Behörden zu den Corona-Verstößen im Fischerwirt
Und was sagen Verbände und Behörden dazu? Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA Bayern), will der Abendzeitung aus Datenschutzgründen nicht mitteilen, ob der Fischerwirt Mitglied im Verband ist oder nicht. Der "Süddeutschen Zeitung" gegenüber bestätigte die DEHOGA-Kreisvorsitzende Monika Poschenrieder, dass dies jedoch der Fall sei. Gepperts Kommentar zum Restaurant: "Ich finde es schade, dass die aktuellen Auflagen scheinbar nicht eingehalten werden." Er verweist darauf, dass regelmäßig an die Mitglieder appelliert werde, sich an geltende Maßnahmen zu halten. Fragen danach, wie die DEHOGA auf Mitglieder reagiert, die diese Appelle ganz offensichtlich missachten, will er nicht beantworten. Der "SZ" sagte er, dass entsprechende Betriebe keinen Ausschluss zu befürchten hätten. Man wolle ein Gesamtbild der Gesellschaft erhalten.

Für etwaige rechtliche Konsequenzen ist ohnehin das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen zuständig. Die Behörde kontrolliert, ob die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eingehalten wird und leitet gegebenenfalls Abstrafungen ein. Dem Landratsamt sei der Betreiber des Fischerwirts schon "seit Beginn der Corona-Pandemie durch aktive Propaganda gegen die Entscheidungen der Landes- und Bundespolitik" aufgefallen. Grundsätzlich seien solche Ansichten von dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt. Die von der Abendzeitung dokumentierten Aussagen gingen laut der Behörde weit darüber hinaus, riefen "vielmehr zum aktiven Verstoß gegen die infektionsschutzrechtlichen Regelungen auf".
Landratsamt stellte Fischerwirt Bußgeld aus
Seit letztem Frühjahr kam es in dem Restaurant zu zahlreichen registrierten Verstößen, die im Rahmen von Ordnungswidrigkeitsverfahren verfolgt wurden beziehungsweise werden: "Jüngst hat das Amtsgericht Wolfratshausen die Rechtmäßigkeit zweier Bußgeldbescheide des Landratsamtes bestätigt und sogar die Betreiber zu doppelten Bußgeldern verurteilt. Gegen diese Entscheidungen wurde nun allerdings Rechtsbeschwerde beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Erst wenn dieses entschieden hat, werden die Bußgelder bestands- und rechtskräftig", teilte das Landratsamt mit. Da der Behörde jedoch noch weitere private und polizeiliche Anzeigen vorliegen, ist es wahrscheinlich, dass weitere Bußgeldbescheide folgen. Auch wenn die kommenden Monate epidemiologisch entspannt verlaufen sollten, wonach es den aktuellen Zahlen zufolge nicht aussieht, könnte den Fischerwirt möglicherweise ein finanziell harter Winter erwarten.
Rechtsanwalt Dr. Jürgen Küttner, Experte für Gewerberecht, schätzt die Situation noch drastischer sein – und rät dem Wirt zur Vorsicht: "Es besteht die Gefahr, dass er zusätzlich auch mit einem Verwaltungsverfahren rechnen muss, weil er möglicherweise die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhält. Das kann in letzter Konsequenz zum Verlust der gaststättenrechtlichen Erlaubnis führen."
Bestellt haben wir im Fischerwirt hausgemachte Spätzle mit Egerlingen und Jägerbraten sowie Wildgulasch mit Knödeln und Blaukraut – die Küche, immerhin, ist wie man es von einem urgemütlichen Wirtshaus erwartet.
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