Firma Torqeedo aus Gilching: Unternehmen für E-Bootsmotoren erobert den Markt
München/Gilching - Einen Vergleich mit Tesla-Chef Elon Musk scheut Christoph Ballin (49) wie der Teufel das Weihwasser. Nein, sagt der Gründer des Gilchinger Unternehmens Torqeedo, das wäre eine Anmaßung. Parallelen zum amerikanischen E-Autobauer und dessen visionärem Sprücheklopfer sind jedoch nicht von der Hand zu weisen.
Beide Manager sind Pioniere, beide Unternehmen sind in ihrem jeweiligen Segment Weltmarktführer – die einen bei E-Autos, die anderen bei Booten mit Elektroantrieb –, und beide Firmen profitieren von der aktuellen Krise des Diesels.
"Wir stehen vor einem gewaltigen Umbruch", sagt Christoph Ballin der AZ. Zwar beträgt der Marktanteil von Elektromotoren in der Bootsindustrie nur rund ein Prozent, aber das Potenzial zu wachsen sei riesengroß, sagt Ballin. Elektromobilität auf dem Wasser werde ein immer größeres Thema.
Die Zahlen von Torqeedo bestätigen die These: 2017 lieferte der mittelständische Betrieb rund 10.000 Motoren aus, das Wachstum beträgt seit der Gründung im Schnitt 35 Prozent pro Jahr. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte des Startups 2005 – eher zufällig am Starnberger See. Ballin, ehemaliger Berater bei McKinsey und damaliger Geschäftsführer des Gartengeräte-Herstellers Gardena, zog in ein Haus nahe des Ufers, ihm gehörte ein altes Holzboot. Mit diesem auf dem See eine Runde drehen? Quasi unmöglich.
Benzinmotoren sind auf dem Starnberger See streng limitiert. Und wer eine der 255 Lizenzen will, muss aktuell zehn Jahre warten – 2005 waren’s sogar 20 Jahre. "Diese Regel gilt nicht für Boote mit E-Motor", sagt Ballin. Ihn überzeugten die elektrischen Außenborder nicht, die es damals zu kaufen gab. Eine Lösung musste her – eine umweltfreundliche und leise.
Torqeedo hängt Branchen-Riesen wie Yamaha ab
Mit Friedrich Böbel, damals Technikvorstand bei Gardena, wirbelte Ballin von den neuen Räumen in Gilching aus binnen weniger Jahre den Nischenmarkt auf – mit Alternativen nicht nur zum Benzin- oder Dieselmotor, sondern auch zu den E-Antrieben mit Bleibatterie. Der Betriebswirt und der Physiker setzten auf die Lithium-Ionen-Technik. "Das Konzept ging voll auf", sagt Ballin, der seine E-Motoren mit einem viel höheren Wirkungsgrad als den bei Benzinern bewirbt.
Heute kooperiert Torqeedo nicht nur mit dem Autobauer BMW, der die Batterien in seinem i3 verbaut. Das 130-Mitarbeiter-Unternehmen hat bei E-Motoren für Boote mittlerweile sogar Branchen-Riesen wie Yamaha und Mercury abgehängt.
Wer sich einen E-Außenborder von Torqeedo zulegen will, muss aber tiefer in den Geldbeutel greifen. Einige Motoren kosten rund doppelt so viel wie ein Verbrenner. "Dafür stinkt der Motor nicht", sagt Ballin, "und die Ruhe auf dem See stört er auch nicht."
Benzinkanister-Schleppen falle weg, das Problem mit der Reichweite sei etwa bei den Segelbooten auf dem Starnberger See mit ihren Drei-PS-Motoren keinesfalls so groß wie bei Schnellbooten, die eh nicht Ballins Sache sind. Und die elektrische Infrastruktur aufzubauen sei nicht so diffizil wie bei E-Autos, sagt Ballin. "Die Boote liegen nachts am Steg, dort gibt es Steckdosen."
Die Queen als prominenteste Kundin
Für Queen englische Queen dürfte der Preis keine Rolle gespielt haben. Sie ist die prominenteste Kundin von Torqeedo. Seit April 2017 schippert ein Schiff des britischen Königshauses mit einem Elektroantrieb aus Oberbayern über die Themse. Die Queen nutzt die 28 Meter lange Prunkbarkasse "Gloriana" etwa für Thronjubiläen. Auch in einen James-Bond-Film hat es Torqeedo geschafft. Im Streifen "Spectre" fährt Hauptdarsteller Daniel Craig in einem Beiboot mit Torqeedo-Motor über einen See, obwohl die Gilchinger Firma kein offizieller Kooperationspartner war.
Der schnelle Aufstieg vom Klein-Unternehmen zum Weltmarktführer ist ausgerechnet bei einem Dieselmotoren-Hersteller nicht unbemerkt geblieben. Der S-Dax-Konzern Deutz ging am 1. Oktober 2017 bei Torqeedo an Bord und schluckte den Mittelständler.
Deutz-Chef Frank Hiller will seinen Konzern grüner aufstellen und einen Teil seiner Angebote elektrifizieren. Die noch nicht profitable Tochter Torqeedo bleibt aber eigenständig.
Für Christoph Ballin ist die Übernahme eine optimale Geschichte. Aufgrund der Synergien mit Deutz ergeben sich für ihn neue Spielräume – etwa wenn es darum geht, den Plan einiger Städte umzusetzen, die den Verkehr revolutionieren und einen Teil der urbanen Mobilität auf Flüsse umleiten wollen. So hat beispielsweise Amsterdam im Sinn, Fähren bis 2025 elektrisch fahren lassen. Und Paris will die Menschen künftig mit Wassertaxis ("Sea-Bubbles") auf der Seine und auf der Rhône befördern. "Da sind wir in guten Gesprächen", sagt Ballin über mögliche Geschäfte, dem auch Anfragen aus Hongkong und Singapur vorliegen.

In der Innenstadt von Rotterdam wird bereits ein Wassertaxi mit Platz für zwölf Personen von einem Hybrid-Motor aus Gilching angetrieben und in Ottawa fährt das größte kanadische Passagierschiff mit einem E-Motor aus Oberbayern.
Christoph Ballin hat gezeigt, dass er große Deals einfädeln kann – es werden nicht die letzten für Torqeedo gewesen sein. Für den Firmengründer ist klar: "Die Zukunft fährt elektrisch." Auch diese Ansicht hat er mit Tesla-Boss Musk gemein.
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