FCN: Vom dritten Stock ins Oberhaus

Die AZ hat Club-Star Mike Frantz zuhause in Saarbrücken besucht. Der 23-Jährige ist dort, wo er seine Jugend verbrachte, inzwischen berühmt
von  Abendzeitung
Mikes Liebling: Der Boarder-Collie Hasso, ebenso quirlig wie Frantz auf dem Platz, ist der treue Begleiter des Club-Profis.
Mikes Liebling: Der Boarder-Collie Hasso, ebenso quirlig wie Frantz auf dem Platz, ist der treue Begleiter des Club-Profis. © Schlichter

Die AZ hat Club-Star Mike Frantz zuhause in Saarbrücken besucht. Der 23-Jährige ist dort, wo er seine Jugend verbrachte, inzwischen berühmt

SAARBRÜCKEN Als Kind war Club-Ass Mike Frantz (23) nie allein. Der Bolzplatz lag vor dem Haus, und dort trafen sich die Buben, die in der Siedlung „Hirtenwies“ in Saarbrücken aufgewachsen sind. Es waren stets viele.

Zweite Heimat "Hirtenwies"

Nämlicher Bolzplatz ist ein Käfig, ein Gitter-Viereck, das zwischen den 18-geschossigen Betonklötzen der Hochhaussiedlung am Rande von Saarbrücken versteckt liegt. Dieser Fußball-Käfig wurde Mikes zweite Heimat. Wenn er nicht gerade seinem Vater Ferdinand auf dem Bau helfen musste, verbrachte er dort jede freie Minute, um mit seinen Kumpels zu kicken. Heute herrscht gähnende Leere im Käfig. „Zu meiner Zeit war das ein Aschenplatz, jetzt haben sie einen super Kunstrasen. Trotzdem spielt hier niemand mehr“, wundert sich Frantz über die Generation „Playstation“, die jetzt im Viertel heranwächst und mit aktivem Fußball nichts mehr am Hut hat.

Vom dritten Stock in die Beletage

Von Mikes ehemaligen Kicker-Kameraden wohnen, wie auch die Eltern Frantz, Ferdinand und Moni, noch viele in der ehemaligen Arbeitersiedlung. Mike kommt gerne zu Besuch, wenn er nicht gerade bei Freundin Sarah und den Schwiegereltern in spe, Tine und Michael, im nahen Zweibrücken weilt. Auf der „Hirtenwies“ hat sich wenig verändert. Doch aus dem Mike von nebenan ist der gut bezahlte Erstliga-Profi geworden. Einer, der es vom dritten Stock einer Mietskaserne in die Beletage des deutschen Fußballs geschafft hat. Vom Bolzplatz in die Bundesliga.

Fototermin beim Angeln

Vor ein paar Tagen wollte er mal wieder mit Freunden zum Angeln gehen. „Wir haben uns extra eine abgelegene Stelle am See ausgesucht. Aber selbst da kamen dann Leute, die ein Foto mit mir machen wollten.“ Ein Bundesliga-Profi ist eben niemals inkognito unterwegs.

Frantz ist in Saarbrücken ein Star

Wie berühmt Mike in der 180000 Einwohner großen Saar-Metropole heute bereits ist, wird auch deutlich, wenn er vor seiner alten Schule steht. Nur wenige Jugendliche sind am Nachmittag an der Bellevue-Gesamtschule, einem verglasten Flachbau nahe der „Hirtenwies“ zu finden. Die aber fangen sofort an zu tuscheln, als Frantz auftaucht. Den Bellevue-Absolventen (Mittlere Reife), der inzwischen beinahe ein Star geworden ist, kennen sie ja nur aus dem Fernsehen.

"Da war unser Verhältnis nicht so gut"

Roman Wallrich hat Frantz noch sehr persönlich erlebt. „Hallo Mike, was machst Du denn hier“, begrüßt der stellvertretende Direktor seinen ehemaligen Schüler. Der schaut zunächst etwas verdutzt und erklärt, nachdem ihn Wallrich zu einer Patenschaft für ein Anti-Rassimus-Projekt überredet hat, auch warum: „Früher war ich ja mehr der Klassenclown als ein Musterschüler“, grinst Mike. „Da war unser Verhältnis nicht so gut.“

Auch Saar-Klub Fahrstuhlmannschaft

Beim Fußball verhielt es sich genau umgekehrt. Da verstand Frantz keinen Spaß. Selbst, als er noch im baufälligen „Ludwigspark“ bei den Partien seines einst ruhmreichen 1.FC Saarbrücken als Fan in der Kurve stand. Zusammen mit 1000 anderen hinter den gelben Absperrgittern in Block D. Dort trifft sich der harte Kern der Saarbrücker Anhänger, die FCS-Ultras. Mike: „Da ist immer eine Riesenstimmung. Selbst in der Oberliga sind 6000 Zuschauer gekommen.“ Jetzt, nachdem der FCS in die Dritte Liga aufgestiegen ist, sollen es noch mehr werden. Frantz hofft auf bessere Zeiten für den Traditionsverein. So richtig glauben will er es aber noch nicht. Zu viel ist in den vergangenen Jahrzehnten schief gelaufen. Mit andauernden Auf-und Abstiegen hat sich auch der Saar-Klub den Ruf einer Fahrstuhlmannschaft erarbeitet.

In Block D, so erzählt Mike, singen sie deshalb schon lange ein Lied, das die traurige Situation ihres Vereins beschreibt: „100 Jahre, 100 Jahre FCS – 100 Jahre, nur Skandale, 100 Jahre FCS!“ Klingt fast ein bisschen nach Mikes neuem Arbeitgeber, dem Club. Vielleicht fühlt sich der Junge von der „Hirtenwies“ auch deshalb beim FCN so wohl. Krischan Kaufmann

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