Fall Ursula Herrmann: Neuer Prozess beginnt heute
Augsburg - Die Entführung der zehnjährigen Ursula Herrmann vor 35 Jahren ist am heutigen Donnerstag erneut Thema eines Prozesses vor dem Landgericht Augsburg.
Das Mädchen war 1981 am Ammersee verschleppt und in eine vergrabene Holzkiste gesperrt worden. Darin erstickte das Kind binnen Stunden, weil die Lüftung nicht funktionierte. Ursulas Bruder Michael Herrmann verlangt nun in einem Zivilprozess von dem in Lübeck inhaftierten Täter 20.000 Euro Schmerzensgeld.
Dabei geht es dem Kläger eigentlich gar nicht um das Schmerzensgeld. Er will mit dem Prozess bewirken, dass der ganze Fall neu aufgerollt wird. Denn Ursula Herrmanns Bruder befürchtet, dass für den Mord der Falsche im Gefängnis sitzen könnte.
Der mutmaßliche Täter hat nie gestanden
Der Fall Herrmann zählt zu den bekanntesten Kriminalfällen in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Erpresser, der damals einen Millionenbetrag als Lösegeld von Herrmanns Eltern verlangt hatte, war erst im Jahr 2010 in Augsburg nach einem langwierigen Indizienprozess wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil.
Michael Herrmann hat Zweifel an dem damaligen Urteilsspruch und will mit seiner Zivilklage den Fall noch einmal juristisch aufrollen. Er geht insbesondere davon aus, dass es noch weitere, bisher nicht bekannte Täter gibt.
Gibt es eine Verbindung zum Mordfall Böhringer?
Wichtigster Grund für Herrmanns Vermutung: An einer Schraube der Kiste, in der die kleine Ursula erstickte, wurde eine DNA-Spur entdeckt, die nie einem Täter zugeordnet werden konnte. Rund ein Vierteljahrhundert später tauchte derselbe genetische Fingerabdruck dann bei einem weiteren spektakulären Mordfall auf: dem an der Münchner Parkhaus-Besitzerin Charlotte Böhringer. Im Fall Böhringer wurde dieser Spur aber nie weiterverfolgt, stattdessen wurde ihr Neffe (auf den die DNA-Spur nicht zutrifft) in einem aufwändigen Indizienprozess wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Auch der im Fall Herrmann verurteilte Täter hofft auf eine neue Aufarbeitung der Beweislage im Rahmen des Schmerzensgeld-Prozesses: Der 66 Jahre alte Mann hat auf die Schmerzensgeldforderung entgegnet, er habe die Tat nicht begangen und sei daher in dem Zivilverfahren der falsche Beklagte. Er wird nach Angaben des Gerichts nicht an dem Prozess teilnehmen. Sein Verteidiger sieht das Verfahren ebenfalls als Chance, den Fall neu aufzurollen. Er prüft derzeit auch einen Wiederaufnahmeantrag für den Strafprozess.
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