Fall Ursula Herrmann: Lebenslang gefordert - doch Zweifel bleiben

Die Staatsanwältin will Werner M. lebenslang hinter Gittern sehen - für den Mord an der kleinen Ursula Herrmann. Doch ausgerechnet ihr Bruder sagt: "Wir sind nicht überzeugt."
von  Abendzeitung
Illustration
Illustration © dpa

AUGSBURG - Die Staatsanwältin will Werner M. lebenslang hinter Gittern sehen - für den Mord an der kleinen Ursula Herrmann. Doch ausgerechnet ihr Bruder sagt: "Wir sind nicht überzeugt."

Staatsanwältin Brigitta Baur ist sich sicher: Werner M. ist schuldig am Tod der kleinen Ursula! "Ich habe keinen Zweifel, dass der Angeklagte der Täter ist." Die Gesamtschau der Indizien lasse diesen Schluss zu, erklärte sie in ihrem Plädoyer beim Ursula-Herrmann-Prozess. Ihr stärkstes Argument hatte sie sich bis zum Schluss ihres fast vierstündigen Plädoyers aufgehoben: das Tonbandgerät Grundig TK 248, mit dem 1981 laut LKA-Gutachterin die Erpresseranrufe "wahrscheinlich" produziert worden sein sollen. "Ausschlaggebend ist, dass das beim Angeklagten gefundene Tonbandgerät in der Lage ist, die Tätertonfolge zu produzieren. Ich kann nicht glauben, dass er zufällig an dieses Gerät gekommen ist." Sie fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge.

Grausam und kaltblütig soll der 59-Jährige die 1981 zehnjährige Ursula in Eching am Ammersee vom Fahrrad gerissen und in eine im Wald vergrabenen Kiste gesperrt haben. Das Mädchen war wie in einer Gruselgeschichte von Edgar Allan Poe lebendig begraben. Nur wenige Stunden später war die Zehnjährige erstickt, weil die Belüftung nicht funktionierte. Gefunden wurde ihre Leiche aber erst 19 Tage nach der Tat bei einer Suchaktion der Polizei.

Der Beginn des 55. und vorletzten Prozesstages hatte sich verzögert. Angeblich soll das Tor des Gefängnisses in der Augsburger Karmelitergasse nicht aufgegangen sein. Der Angeklagte Werner M. erreichte den Schwurgerichtssaal daher mit einer Viertelstunde Verspätung. Ein Küsschen für Ehefrau Gabriele, ein kurzes Gespräch mit Anwalt Walter Rubach vor dem Tag der Plädoyers.

Doch Brigitta Baur listet eine ganze Reihe von Indizien auf, die für die Schuld von Werner M. sprechen. Unter anderem zählte sie die räumliche Nähe, des damals in Eching wohnenden Angeklagten und die handwerklichen Fähigkeiten von Werner M. auf, der eine Lehre als Radiotechniker abschloss. "Das Radio mit der fachmännisch angebrachten Antenne in der Holzkiste trägt die Handschrift des Angeklagten."

Motiv sei seine extreme Geldnot gewesen. Zeugen berichteten, dass er gesagt habe, er werde bald zu sehr viel Geld kommen. Einmal sei die Rede von zwei Millionen Mark gewesen. Außerdem habe er kein Alibi und er habe sich bei dem Versuch eines zu bekommen in Widersprüche verwickelt.

Gegen den Angeklagten spreche auch, dass sein Spezl Klaus P. im Februar 1982 seinen Tatbeitrag gestanden habe. Der Mann will das Loch im Waldgebiet "Weingarten" zwischen Eching und Schondorf gegraben haben. Dabei habe sein Geständnis ein Detailwissen über den Waldboden sowie Größe und Form des Loches offenbart, das seine Mittäterschaft beweise. Dass er das Geständnis später widerrief, kann die Staatsanwältin nicht beirren. Klaus P. sei noch am Tattag mit einem Spaten gesehen worden und habe wohl Werner M. geholfen, das Mädchen vom Rad zu zerren und er habe dann wahrscheinlich die Erde auf die Kiste mit dem Mädchen geschaufelt.

Anders die Familie des Opfers: Michael Herrmann, Bruder des Opfers, erklärt gegenüber der AZ in einer Verhandlungspause: "Wir sind nach wie vor nicht überzeugt, dass Werner M. schuldig ist. Aber auch nicht davon, dass er frei gesprochen werden sollte." Der in Tatortnähe gefundene Klingeldraht weise für ihn aber eher zu dem ehemaligen Polizisten Harald W., der ebenfalls eine Weile unter Verdacht stand. Zur psychischen Situation seiner Familie kurz vor dem Urteil, erklärt Michael Herrmann: "Meine Eltern sind sehr angespannt." Der Tod seiner Schwester habe einen "schwarzen Schleier über die Familie gelegt."

Staatsanwältin Brigitta Baur führt neben der Geldnot als Motiv auch das Geständnis von Klaus P. als weiteres Indiz für die Schuld von Werner M. an. Klaus P. hatte angegeben, dass er das Loch im Waldboden für seinen Spezl gegraben habe. Er war von Zeugen auch mit einem Spaten auf seinem Mofa beobachtet worden. Klaus P. widerrief sein Geständnis allerdings später.

Der Strafrahmen bei einem Schuldspruch für Werner M. bewegt sich zwischen zehn Jahren und lebenslang. Für die wegen Beihilfe angeklagte Ehefrau fordert die Staatsanwaltschaft Freispruch. Ihr sei nicht nachzuweisen, dass sie von der Tat gewusst habe. Das Urteil wird am 25. März gesprochen.

John Schneider

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.