Fall Ursula Herrmann: "Das Kind muss Todesangst gehabt haben"

Vor dem Augsburger Landgericht sagt zur Zeit der Gerichtsmediziner Professor Wolfgang Eisenmenger aus. Er hatte damals die zehnjährige Ursula Herrmann noch am Tatort untersucht: "Das Kind muss Todesangst gehabt haben."
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Ursula Herrmann erstickte in einer Holzkiste.
az 2 Ursula Herrmann erstickte in einer Holzkiste.
Professor Wolfgang Eisenmenger obduzierte Ursula Herrmann.
az 2 Professor Wolfgang Eisenmenger obduzierte Ursula Herrmann.

AUGSBURG - Vor dem Augsburger Landgericht sagt zur Zeit der Gerichtsmediziner Professor Wolfgang Eisenmenger aus. Er hatte damals die zehnjährige Ursula Herrmann noch am Tatort untersucht: "Das Kind muss Todesangst gehabt haben."

Es könnte ein sehr kleiner, sehr später Trost für die Familie sein. Ursula Herrmanns Tod kam offenbar sanfter, als bislang angenommen. Professor Wolfgang Eisenmenger, Chef der Münchner Rechtsmedizin, schilderte gestern im Prozess vor dem Augsburger Landgericht Ursulas letzte Minuten. Und verglich ihr Sterben mit dem Zustand eines Bergsteigers ohne Sauerstoff auf einem Achttausender. „Sie kriegen subjektiv nicht mit, dass sie an Sauerstoffmangel leiden." Ursula erstickte, weil das Belüftungssystem in der Kiste nicht funktionierte.

Laut Eisenmenger habe das Mädchen bei dieser Art von Erstickungstod keinen „Lufthunger“ gespürt. „Es dauert recht kurz, bis die Bewusstlosigkeit einsetzt." Wahrscheinlich starb sie nach 30 bis 90 Minuten in der Kiste, allerspätestens nach fünf Stunden. „Das Kind muss furchtbare Angst gehabt haben", so Eisenmenger. Ursulas Bruder Michael (damals 18), stellte Eisenmenger nur eine einzige Frage: „Waren Ursulas Augen geschlossen oder geöffnet, als sie gefunden wurde?" Der Rechtsmediziner schaut in die Akten – und antwortet: „Die Augen waren geschlossen."

Dieses Bild war falsch

Eduard Zimmermann („Aktenzeichen XY… ungelöst") hatte in Interviews immer wieder gesagt, er könne „den Blick des Mädchens" nicht vergessen, nachdem er Ursula auf Tatort-Fotos gesehen hatte. Der flehende Blick - ein Bild, das für die Familie besonders schlimm gewesen sein muss. Dieses Bild war falsch. Nach einem Beamten des Landeskriminalamtes (LKA), der erklären musste, warum er als Prozessbeobachter im Saal saß, musste gestern erneut der frühere Soko-Chef Joachim S. in den Zeugenstand. Er war ab 18. September 1981 gut ein Jahr für die Ermittlungen verantwortlich, bis er abgelöst wurde.

Versuchskaninchen für die EDV

Joachim S. ist bis heute überzeugt, dass M. der Täter ist. „Ich konnte nicht glauben, dass ein lupenreiner Fall, der bereits im Jahre 1983 hätte aufgeklärt werden müssen, nicht aufgeklärt wurde." Der Ex-Ermittler berichtete dem Gericht von Pannen und Fehlern: So habe man erst nach Tagen eine Fangschaltung an Herrmanns Telefon installieren können, weil das einzige Gerät verwendet wurde, um einen verschmähten Liebhaber zu ermitteln. Dann konnte das Gerät aber nur funktionieren, wenn der Erpresser aus Eching anrief. Sobald er eine Vorwahl wählte, schaltete sich das Gerät nicht ein. Auch seien die Ermittler damals „Versuchskaninchen für die EDV" gewesen, hunderte Vorgänge seien erst erheblich verspätet bei den Akten gelandet. Am 14. Oktober 1982 schrieb der Polizist einen 14-seitigen Bericht, auf dem er alle Fehler der Ermittler auflistete. Den Bericht schickte er an die Staatsanwaltschaft und seine Vorgesetzten. 2008 übergab er die alten Aufzeichnungen noch einmal dem LKA. Merkwürdig: Sie sind nicht bei den Akten. Der Richter bat Joachim S., eine Kopie direkt an ihn zu schicken.

Nina Job

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