Fall Penkala: Haftprüfung im bayerischen Masken-Krimi

München/Nürnberg - Vom Bayerischen Gesundheitsministerium stammt ein 13 Seiten umfassendes Dokument namens "Bericht zum Beschaffungswesen für Persönliche Schutzausrüstung im Frühjahr 2020 in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie". Das Fazit in eigener Sache fällt überwältigend aus: "Die gigantische Herausforderung", heißt es dort, "konnte gemeistert werden."
Maskendeal aus der Frühphase der Pandemie
Das Ermittlungsverfahren, das die Nürnberger Staatsanwaltschaft gegen zwei Reifenhändler führt, betrifft die unmittelbare Anfangsphase der Krise im Frühjahr vergangenen Jahres. Zu diesem Zeitpunkt spielte die "gigantische Herausforderung" mit den Pandemie-Bekämpfern eher Ping-Pong.
Aus der Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Horst Arnold (SPD) geht ein weiterer Aspekt der Pandemie-Bekämpfung etwas deutlicher hervor: "Insbesondere in der Anfangszeit der ersten Pandemiewelle, als die Marktlage am schwierigsten und der Beschaffungsdruck am höchsten waren", erfährt Arnold, "erfolgte die Beauftragung in einigen Fällen durch umgehende unveränderte Annahme eines Angebots."
Zwei Reifenhändler verkaufen für Millionen - ungeprüft
Eine "umgehende unveränderte Annahme" ihres Angebots erlebten auch die Reifenhändler. Am Abend des 1. April ließen sie dem Landesamt für Gesundheit (LGL) ein Angebot zur Lieferung von 500.000 OP-Masken zukommen, und nur ein paar Stunden später, am Vormittag, hatten sie den ersten Auftrag in der Tasche.
In den folgenden drei Wochen folgten vier weitere vom LGL - über insgesamt 11,44 Millionen Masken für 8,99 Millionen Euro. "Notlage, Dringlichkeit und Bedarf", stellte das Gesundheitsministerium fest, "erforderten dabei extrem schnelle Entscheidungen und unbürokratische Beschaffungsprozesse. Gerade in dieser Zeit waren Beschaffungsmöglichkeiten - jedenfalls für eine zeitnahe Lieferung - so selten und der Nachfragedruck weltweit so hoch, dass Entscheidungen binnen kürzester Zeit getroffen werden mussten, wollte man nicht leer ausgehen."
Welche Rolle spielte Hubert Aiwanger?
Dokumente, die in "normalen" Zeiten für den Kauf der Produkte aus China unverzichtbar waren, spielten in dieser turbulenten Zeit für das LGL wohl keine wesentliche Rolle. Bestellt wurde auch ohne diese Papiere, wie internem Schriftverkehr zu entnehmen ist.
Unter anderem eine Mail von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) macht dies deutlich und sorgt für ein "Gschmäckle". Er war es, der dem LGL die notwendigen Papiere für das Geschäft mit den Reifenhändlern zukommen ließ - vier Tage, nachdem das Geschäft schon längst lief. Aiwanger erklärte dazu, dass er die Unterlagen einfach nur an das LGL weitergeleitet habe.
Aiwanger sprach das enge Verhältnis zu einem der Reifenhändler nicht an. Matthias Penkala war Vorsitzender der Jungen Freien Wähler Bayerns und kommunalpolitisch eingebunden. Er galt als sein politischer Ziehsohn.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs
Für die Staatsanwaltschaft spielt das keine Rolle. Sie geht davon aus, dass die beiden Reifenhändler die Dokumente, die die Masken als coronatauglich einstufen und die Grundlage des Geschäfts gewesen sein sollen, gefälscht haben. Ermittelt wird wegen gewerbsmäßigen Betrugs.
Beide Beschuldigte sitzen seit Mitte Juli in Untersuchungshaft. Für ihre Firma, über die sie geschäftliche Beziehungen nach China hatten, mussten sie inzwischen Insolvenz anmelden. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden auf neun Millionen Euro. Dabei spielt es keine Rolle, dass ein großer Teil des Geldes sichergestellt werden konnte.
Haftprüfungstermin am Dienstag
Die Staatsanwaltschaft spricht in Zusammenhang mit einer hohen Gewinnspanne bei dem Geschäft auch von einer besonderen Geldgier der Beschuldigten. AZ-Informationen zufolge lagen sie mit ihrem Angebot zwischen 60 und 70 Cent eher im unteren Durchschnittsbereich. Bis zu zwei Euro wurden vom LGL im Einzelfall für diesen Maskentyp bezahlt.
Am Dienstag findet beim Ermittlungsrichter ein Haftprüfungstermin der beiden Männer statt. Er entscheidet darüber, ob sie unter Auflagen (zumindest) bis zum Prozess auf freien Fuß kommen.