Fall Kalinka: Neue Ermittlungen 28 Jahre nach Tod
PARIS - Er wurde mit einer umstrittenen Selbstjustiz-Aktion nach Frankreich entführt. Nun kommt auf den deutschen Arzt Dieter K. in Paris ein neues Verfahren zu. Gutachten sollen klären, ob der Mann vor 28 Jahren seine Stieftochter Kalinka umgebracht hat.
Der spektakuläre Kriminalfall um den deutschen Arzt Dieter K. und seine französische Stieftochter Kalinka soll neu aufgerollt werden. 28 Jahre nach dem mysteriösen Tod der 14-Jährigen fordert das zuständige Pariser Gericht nach Angaben von Dieter K.s Anwalt neue Gutachten und Zeugenbefragungen. Diese sollen klären, ob der Deutsche seine Stieftochter umbrachte. Das sei gleichbedeutend mit einem neuen Verfahren, in dem alles bei null beginnt, sagte der Anwalt Yves Levano dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Dieter K., der aus dem Landkreis Lindau am Bodensee kommt, war 1995 in Abwesenheit in Frankreich zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 75-Jährige den Tod seiner Stieftochter Kalinka verursachte. Die Bundesrepublik lieferte Dieter K. aber nie aus, weil die deutsche Justiz zuvor ein Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt hatte.
Der leibliche Vater von Kalinka, der Franzose André Bamberski, wollte dies nicht hinnehmen und fädelte im vergangenen Oktober die Entführung von Dieter K. nach Frankreich ein. Die vermutlich von den Entführern alarmierte Polizei nahm den Deutschen dann fest.
Dieter K. sitzt nun seit Monaten in einem Vorort von Paris im Gefängnis und wartet auf das neue Gerichtsverfahren, das die Staatsanwaltschaft anstrengt. Das 1995 verhängte Urteil war vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beanstandet worden, weil das Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten ablief und nicht einmal sein Anwalt gehört wurde. Das zuständige Gericht war am Wochenende nicht für eine Stellungnahme zu den neuen Ermittlungen zu erreichen.
Kalinka hatte den Sommer 1982 mit ihrer Mutter und deren neuem Partner, Dieter K., am Bodensee verbracht. Nach Überzeugung des Vaters wollte dieser seine Tochter vergewaltigen und gab ihr eine tödliche Spritze. 1997 wurde Dieter K. in Deutschland wegen einer anderen Sexualstraftat verurteilt. Ein Gericht in Kempten verhängte zwei Jahre Haft auf Bewährung gegen ihn, weil er eine 16-Jährige mit Schlafmitteln ruhig gestellt und vergewaltigt hatte.
dpa