Fall Herrmann: Richter sehen keinen Schmerzensgeldanspruch

Augsburg (dpa/lby) - Der Bruder der 1981 bei einer Entführung umgekommenen Schülerin Ursula Herrmann kann voraussichtlich nicht mit einem Schmerzensgeld von dem Entführer rechnen. Dies machte eine Zivilkammer des Oberlandesgerichts München (OLG) am Dienstag klar.
Ursulas Bruder Michael Herrmann hatte den im Gefängnis sitzenden Mann verklagt, weil er infolge des Verbrechens an einem Tinnitus leide. Michael Herrmann hatte nach einem Gutachten die Gesundheitsschädigung in Zusammenhang mit dem erst 2009 und 2010 stattfindenden Strafprozess gegen den Kidnapper erlitten. Der Mann hatte das zehnjährige Mädchen 1981 am Ammersee in einer Kiste vergraben, Ursula erstickte darin. Der rechtskräftig verurteilte Entführer bestreitet allerdings bis heute, für den Tod Ursulas verantwortlich zu sein.
Dieser zeitliche Abstand zu der Tat, etwa drei Jahrzehnte, sei für eine Schmerzensgeldforderung zu lang, betonten die OLG-Richter. Sie verwiesen auf die entsprechende Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs wonach ein schockartiges Ereignis bei einer Schmerzensgeldforderung nötig sei.
Der Anwalt des Bruders machte klar, dass Michael Herrmann schon nach der Tat Anfang der 1980er Jahre einen Schock erlitten habe, diesen dann aber zunächst verarbeitet habe. Später sei es zur Re-Traumatisierung gekommen. Der in der OLG-Außenstelle in Augsburg sitzende Senat will am 31. März eine Entscheidung in dem Verfahren verkünden.
Der Fall Herrmann gehört zu den bekanntesten Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik. Eine Zivilkammer des Augsburger Landgerichts hatte 2018 Michael Herrmann 7000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Beide Seiten sind dagegen in Berufung gegangen.
Herrmann sagte, es stünden ihm mindestens 20 000 Euro zu. Der Anwalt des Entführers, der eine lebenslange Haftstrafe absitzt, erklärte, sein Mandant habe das Verbrechen an Ursula nicht begangen und müsse deswegen kein Schmerzensgeld zahlen.
Die Schmerzensgeldthematik ist eigentlich nur ein Nebenaspekt in dem Verfahren. Beide Seiten wollen den Zivilprozess nutzen, um Bedenken an der Korrektheit des früheren Strafurteils auszuräumen. Auch Michael Herrmann hatte erklärt, dass es gut möglich sei, dass ein Unschuldiger in Haft sitze und die wahren Täter weiterhin frei seien.