Expertenkritik: Bayerns Polizeigesetz wird nachgebessert

Selten hat in der jüngeren Geschichte eine Gesetzesnovelle in Bayern so viel Protest ausgelöst wie das PAG. Die CSU setzte es dennoch durch. Nun soll es zwar Änderungen geben, die Kritik aber bleibt.
dpa |
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Die Aufschrift Polizei steht auf dem Rücken von Polizeiuniformen, die mehrere Polizisten tragen. Foto: Christian Charisius/Archiv
dpa Die Aufschrift Polizei steht auf dem Rücken von Polizeiuniformen, die mehrere Polizisten tragen. Foto: Christian Charisius/Archiv

München (dpa/lby) - Nach deutlicher Kritik einer Expertenkommission hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bis November eine Korrektur des umstrittenen Polizeiaufgabengesetzes angekündigt. Mit den Hinweisen, der Kritik und den Vorschlägen der Kommission "kann das Polizeiaufgabengesetz (PAG) sinnvoll nachjustiert werden", sagte der CSU-Politiker am Freitag in München. Zuvor hatte das im Juni 2018 eingesetzte Gremium in 24 mehrstündigen Sitzungen unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, Karl Huber, intensiv mit der Praxistauglichkeit des Gesetzes befasst. Der Diskurs sei nicht immer reibungslos verlaufen, betonte Huber.

Im Detail empfiehlt die PAG-Kommission der Staatsregierung unter anderem eine Einschränkung des umstrittenen Begriffs der "drohenden Gefahr". Durch die Einführung einer "Legaldefinition der "konkreten Gefahr"" könne in der Anwendungspraxis eine bessere Verdeutlichung der Begriffe erreicht werden. Die "drohende Gefahr" sei tatsächlich auf den Schutz von überragend wichtigen Rechtsgütern wie dem Schutz von Leib und Leben zu beschränken. Zudem sollte eine Prüfung polizeilichen Einschreitens auf Basis der drohenden Gefahr nur erfolgen, wenn keine "konkrete Gefahr" vorliege.

Kritisch sehen die Experten auch die Nutzung von Gentests bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen: "Für den Fall, dass die Vorschrift bestehen bleibt, sollte zumindest die Maßnahme ausschließlich durch den Richter angeordnet werden dürfen." Dies gilt auch für die Nutzung von genetischem Material mit unbekannter Herkunft.

Herrmann betonte, dass die Empfehlungen der Kommission zur Stärkung des Rechtsschutzes von der Staatsregierung aufgegriffen würden und "zum Beispiel die bestehenden Richtervorbehalte" klarer im Gesetz gefasst und Forderungen nach weiteren Zustimmungen von Richtern wie schon im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern geprüft würden.

Darüber hinaus empfiehlt die Kommission dem Gesetzgeber eine klare Begrenzung des sogenannten Präventivgewahrsams - also Inhaftierungen zur Verhinderung von möglicherweise drohenden Straftaten - auf unter drei Monate. Laut Huber gebe es dagegen keinen Änderungsbedarf bei den generellen Voraussetzungen für die Anordnung der Inhaftierung. Im Evaluierungszeitraum seit der Einführung 2017 seien in 19 Fällen über die bis dato zulässigen 14 Tage angeordnet worden, in einem Fall über 90 Tage. Da es sich bei den Betroffenen in rund 80 Prozent der Fällen um Ausländer gehandelt habe, sei hier auch ein verpflichtender Rechtsbeistand notwendig. Herrmann nannte dies explizit "sinnvoll".

Die Kommission hatte sich mehr als ein Jahr mit dem Gesetz befasst, dabei aber bewusst keine verfassungsrechtliche Bewertung vorgenommen. Diese findet derzeit am Bundesverfassungsgericht und am bayerischen Verfassungsgerichtshof statt, wo Grüne und SPD gegen das PAG Klage eingereicht hatten. Das von rund 100 Organisationen getragene Bündnis gegen das PAG kritisierte die fehlende rechtliche Bewertung.

"Gleichzeitig ist die unerwartet deutliche Kritik am Gesetz eine Demontage der Sicherheitspolitik der Staatsregierung", sagte die Sprecherin des noPAG-Bündnisses Laura Pöhler. Das PAG sei Ausdruck einer demokratiegefährdenden Politik und verfassungswidrig. "Dieser Mangel ist nicht durch die Rücknahme oder kosmetische Korrektur einzelner Regelungen heilbar." Auch die Linke forderte weiterhin die Abschaffung des gesamten Polizeiaufgabengesetzes.

Bei den Parteien gingen die Bewertung des Prüfberichtes hingegen weit auseinander: Während die CSU wie Herrmann darin eine Bestätigung der grundsätzlichen Linie in der Sicherheitspolitik sah, schlossen sich die Grünen der Kritik des Bündnisses an. Auch der Koalitionspartner der CSU, die Freien Wähler, SPD und die FDP erklärten, der Bericht zeige, dass es noch Nachbesserungsbedarf gebe. Die SPD forderte etwa, dass der Begriff der "drohenden Gefahr" gänzlich gestrichen werde.

Das PAG hatte lange vor seiner Verabschiedung seiner zweiten Novelle im Landtag im Mai 2018 für große Proteste in Bayern gesorgt. Tausende Menschen gingen bei Demonstrationen auf die Straße. Sie befürchteten, dass die Neuregelung die Rechte der Menschen unverhältnismäßig einschränkt weil die Polizei etwa in Ausnahmefällen auch ohne konkreten Verdacht auf geplante Straftaten Überwachung und andere polizeiliche Maßnahmen einleiten darf.

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