Nächste Brauerei aus Bayern muss aufgeben: "Es zerreißt uns das Herz"

Nach über 170 Jahren ist bei Lang-Bräu aus Wunsiedel bald Schluss. Warum sich die Familie zu diesem Schritt entschieden hat, was der Branche zu schaffen macht und wie viele Braustätten in Bayern in den letzten 30 Jahren verschwunden sind.
von  Rosemarie Vielreicher
Ein Blick von außen auf Lang-Bräu in Wunsiedel.
Ein Blick von außen auf Lang-Bräu in Wunsiedel. © Christian Wölfel/Lang-Bräu

Wunsiedel - Ihr Slogan war: "Läuft". Das klingt pragmatisch, sorgenfrei und auch hip. Doch bei der Traditions-Brauerei Lang-Bräu aus Schönbrunn in Wunsiedel läuft schon sehr bald kein Bier mehr. Zum 31. Mai wird die Brauerei geschlossen. Nach über 170 Jahren.

Das teilten die Brüder Richard (37) und Rudolf Hopf (40) in einem ausführlichen Statement mit. Die beiden haben das Familienunternehmen geführt und wollten das auch in Zukunft tun. Rudolf Hopf teilt der AZ mit: "Es zerreißt uns das Herz!"

Natürlich im knallroten "Läuft"-Outfit: Rudolf Hopf (links) und sein Bruder Richard Hopf.
Natürlich im knallroten "Läuft"-Outfit: Rudolf Hopf (links) und sein Bruder Richard Hopf. © Lang-Bräu

Aus den Zeilen ihrer Erklärung an alle Wegbegleiter liest man sofort heraus, wie schwer ihnen dieser Schritt fällt: "Wie gibt man etwas auf, das seit Generationen unsere Familie und die Region geprägt hat? Etwas, was uns sowas von am Herzen liegt." Auf AZ-Nachfrage erzählt Rudolf Hopf, dass sein Bruder seit 2009 Geschäftsführer ist. Er selbst sei seit 2014 im Unternehmen.

Gegen Gerüchte: "Wir sind nicht insolvent"

Schon der Senior-Chef Jürgen Hopf machte vor Jahren überregional von sich reden, als er, zunächst als Faschingsscherz gedacht, ein "Erotikbier" braute - nur mit Hut, Gummistiefeln und Lendenschurz bekleidet. Pfiffig und offen für ausgefallene Ideen waren sie also.

Die Junior-Chefs wollen Gerüchten vorbeugen, wie es auf ihrer Seite heißt: Die Brauerei sei nicht pleite. "Wir sind nicht insolvent, sondern gehen, ohne Schulden zu hinterlassen!" Allerdings sähen sie "aufgrund der verschärften Marktsituation und einem dringenden millionenschweren Investitionsbedarf in Technik und Gebäude" keine Perspektive mehr.

Zwölf Millionen Euro wären nötig gewesen

Konkret: Es bestehe ein Investitionsbedarf von zwölf Millionen Euro, "um unsere Brauereitechnik und -gebäude wettbewerbsfähig und zukunftsfähig auszurichten". Die Absatzzahlen sinken demnach seit Jahren branchenweit, zugleich stiegen die Kosten für Energie, Rohstoffe und Personal.

Die Brauerei habe auch mit dem "ruinösen Preisdruck" durch große Marktkonkurrenten zu kämpfen gehabt. Wie viel Bier sie im vergangenen Jahr produziert haben, dazu machen sie auf AZ-Anfrage keine Angabe.

Sie teilen weiter öffentlich mit: "Wir sehen keine langfristige und seriöse Möglichkeit, eine Summe dieser Größenordnung unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu stemmen und auch auf Sicht zurückzuzahlen."

Riesige Summe nötig: "Es hat einfach nicht gereicht"

Die beiden lassen wissen: "Wer uns kennt, weiß, dass wir wirklich alles versucht und gegeben haben - sowohl hinter als auch abseits unseres Sudkessels, auf allen Kanälen, bei Wind und Wetter, mit einem Motto, das uns alle motiviert und zusammengeschweißt hat. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es hat einfach nicht gereicht."

So geht es weiter: Noch bis 30. April würden alle Sorten ausproduziert. Am 31. Mai ist dann endgültig Schluss mit dem Brauerei-Betrieb. Sie schließen mit den Worten: "Wir versuchen alles, um unser Familienunternehmen sauber und geordnet auf den letzten Metern Ehre zu erweisen."

Im Mai ist in Wunsiedel Schluss mit der Brauerei.
Im Mai ist in Wunsiedel Schluss mit der Brauerei. © Christian Wölfel/Lang-Bräu

Es ist nicht die erste Brauerei im Freistaat, die in letzter Zeit schließen musste. Aus unterschiedlichen Gründen. Da war zum Beispiel die Unertl GmbH aus Mühldorf, die nach einem Markenstreit innerhalb der Familie zum Jahreswechsel den Betrieb einstellte. Auch hatte Karmeliter-Bräu aus Salz bei Bad Neustadt an der Saale im vergangenen Jahr nach 672 Jahren (!) zugemacht - der Firmeninhaber fand keinen Nachfolger, wie er der AZ erzählt hatte.

Und es folgen wohl noch andere. So gab etwa Anfang Januar die Privatbrauerei Märkl aus Freudenberg in der Oberpfalz bekannt, dass sie aufhört.

Der Bayerische Brauerbund zeigte bei seiner Jahrespressekonferenz am Donnerstag Biermarken, die es teils nach Jahrhunderten künftig nicht mehr geben wird. Ganz aktuell stand schon Lang-Bräu dabei, aber auch die Brauerei Krieger aus Landau an der Isar (nach 402 Jahren), die Gesellschaftsbrauerei Viechtach (nach 471 Jahren) oder Schlössle aus Neu-Ulm nach 334 Jahren.

1993 gab es dem Bayerischen Brauerbund zufolge noch 768 Braustätten in Bayern. Im Jahr 2023 waren es noch 622. Allein seit 2020 hatten 21 Betriebe ihr letztes Bier gebraut. Das letzte "Hoch" war 2018: 654 Braustätten in Bayern.

Wie die Zahlen des Brauerbunds zeigen, befinden sich trotz der weniger werdenden Brauereien immer noch mit Abstand die meisten (41,7 Prozent) aller deutschen Braustätten im Freistaat. Es waren aber auch schon mal, nämlich 1993, 58,4 Prozent. In einer Mitteilung des Bayerischen Landesamts für Statistik heißt es: "In den letzten fünf Jahren ging die Anzahl beständig zurück."

Woran liegt es, welche Problemstellen gibt es? Einerseits sind da die steigenden Kosten etwa für Energie und Personal. Dem Brauerbund zufolge ist eine Ursache aber auch: Die Menschen in Deutschland trinken weniger Bier. Wurden etwa Ende der 70er Jahre noch 151 Liter pro Person und Jahr getrunken, waren es zuletzt nur noch 88 Liter. Dafür wurde in den vergangenen Jahren gern mehr alkoholfreies Bier getrunken.

Der (Trink-)Zeitgeist ist im Wandel. Daran müsse man sich anpassen. So bringt zum Beispiel Tegernseer bald ebenfalls ein Alkoholfreies raus.

Das sind die Forderungen an die Politik

Auch wenn die Umsatzzahlen im vergangenen Jahr für Bayern (Anstieg um 1,6 Prozent auf 2,38 Milliarden Liter) im Vergleich zu Deutschland ("wieder unbefriedigend") besser ausschauten, sagte Michael Möller vom Bayerischen Brauerbund: "Es sind herausfordernde Zeiten." Davor dürfe man die Augen nicht verschließen.

Deswegen stellte der Brauerbund auch Kernforderungen an die Politik im Wahljahr, was die Rahmenbedingungen betrifft: Die Energie müsse bezahlbar sein und es bedürfe Planungssicherheit für die Energieversorgung sowie für die grüne Transformation der Brauwirtschaft.

Auf nationaler und europäischer Ebene müsse Bürokratie abgebaut werden – so sollten bestehende Berichtspflichten vereinfacht werden.

Wenn es nach dem Brauerbund geht, sollten auch die bestehenden Mehrwegsysteme gefördert und geschützt werden, vor allem wenn die EU-Verpackungsverordnung PPWR umgesetzt wird. Und: einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer für die Gastro.

Lang-Bräu appelliert: Trinkt weiterhin regional Biere

Aus Sicht des Brauerbundes ist das Reinheitsgebot kein "alter Zopf" oder eine "Limitierung", sondern ein Garant für Qualität, was viele auch im Ausland schätzen (Exportquote der bayerischen Brauwirtschaft 2024: 24,7 Prozent – das entspricht 5,86 Millionen Hektoliter). Aber auch das Export-Geschäft sei kein Selbstläufer, Sorgen macht den Fachleuten etwa der zukünftige Markt in den USA unter Donald Trump.

Aber zurück in die Heimat: Lang-Bräu greift auf der Internetseite die Frage auf: Welches Bier trinkt man dort denn jetzt in Zukunft? Die Antwort: "Hauptsache sehr regional. Bitte denkt besonders an die vielen kleinen und mittelständischen Brauereien, die sich Qualität und echtes Brauereihandwerk in unserer Heimat auf die Fahne geschrieben haben."

Am meisten wird Rudolf Hopf die Mitarbeiter und die "Läuft-Familie" vermissen, aber auch die eigene Kreativität frei umsetzen zu können, teilt er der AZ mit.

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