"Es war amoi...": Toni Lauerer hat Grimms Märchen ins Bairische übersetzt

Von Schneewittchen bis Frau Holle: Toni Lauerer hat 15 Märchen der Gebrüder Grimm ins Bairische übertragen – ohne Humor geht es bei ihm nicht. Die AZ hat ihn auf einen Ratsch über Dialekt getroffen.
Rosemarie Vielreicher |
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Rotkäppchen entdeckt den Wolf im Bett der Großmutter - und tut ihre Verwunderung auf Bairisch kund.
imago/AZ Rotkäppchen entdeckt den Wolf im Bett der Großmutter - und tut ihre Verwunderung auf Bairisch kund.

Der 58-jährige aus Furth im Wald ist Standesbeamter - und zugleich berühmt für seine bairischen Bücher, Radiobeiträge bei Bayern 1 und Theaterstücke.

AZ: Herr Lauerer, die Gebrüder Grimm und der bairische Dialekt – wie sind Sie auf die Idee gekommen, dass das ganz gut zusammenpassen könnte?
TONI LAUERER: Das war recht lustig: Eine Verlagsmitarbeiterin hatte geträumt, dass ich Grimms Märchen auf Bairisch umschreibe. Als sie mir das erzählte, habe ich es zunächst einmal bei Schneewittchen ausprobiert. Nach fünf Minuten war ich im Schreiben drin, in fünf Monaten mit 15 Märchen fertig.

Was macht Ihre Geschichten so besonders?
Es gibt schon mehrere Märchen auf Bairisch, die sind halt eins zu eins übersetzt. Ich dagegen habe meine Späße eingebaut. Für mich persönlich ist das Projekt auch insofern etwas Neues, weil ich sonst immer meine eigenen Geschichten schreibe. Dieses Mal habe ich etwas Bestehendes umgearbeitet.

Sie sind für Ihre humorvollen Dialoge und Geschichten bekannt. Wieviel Witz haben Sie Rumpelstilzchen, Schneewittchen und Frau Holle verpasst?
Ich würde sagen: fünfzig, fünfzig. Die Leser dürfen durchaus erwarten, dass sie nicht aus dem Grinsen herauskommen. Die Gebrüder Grimm haben zum Beispiel verschwiegen, wie die sieben Geißlein heißen – und ich habe mir eben lustige Namen für sie ausgedacht.

Bairisch reden ist das eine, Bairisch lesen das andere. Wie leicht fällt die Lektüre?
Bei einem Auftritt ist zuletzt jemand auf mich zugekommen und hat gesagt: "Ich bin ein Zugeroaster aus der Nähe von Hamburg – und ich war nach zwei, drei Seiten drin."

Haben Sie einen Tipp für diejenigen, denen es nicht ganz so leicht fällt?
Am allerbesten ist es, wenn man sich die Sätze laut vorliest. Dann fällt das Verstehen am leichtesten. Ich bekomme aber durchaus hin und wieder Nachrichten von Lesern, die fragen, was dies oder jenes Wort bedeutet.

Zum Beispiel?
Ein Nürnberger wollte wissen, was "nasch" heißt. Er dachte, es kommt von naschen, aber es bedeutet "narrisch".

Sind die Märchen nur für Kinder oder auch für Erwachsene geeignet?
Mein Traum wäre es, wenn Eltern ihren Kindern daraus vorlesen. Denn Geschichten sind so wichtig für die kindliche Fantasie. Zugleich möchte ich, dass auch die Eltern dabei eine Gaudi haben.

Ist das Buch auch ein Plädoyer dafür, wieder mehr Bairisch zu sprechen und zu lesen?
Ja, wir sollten uns unserer Sprache wieder bewusster werden. Ich gehe auch in Schulklassen und spreche mit den Kindern über Dialekt. Ich betone, dass es wichtig ist, Bairisch zu sprechen, aber dass sie natürlich auch Hochdeutsch können sollen.

"Ich glaube nicht, dass der Dialekt ausstirbt"

Mancherorts wird schon Bairisch-Unterricht angeboten. Braucht's das?
Grundsätzlich finde ich, es wird viel zu viel auf die Schulen abgeschoben. In meinen Augen sind vor allem die Eltern in der Pflicht, mit ihren Kindern Dialekt zu sprechen und diesen so in Zukunft zu erhalten.

Immer wieder heißt es gar, der Dialekt könnte irgendwann aussterben. Wie sehen Sie das?
Nein, das glaube ich nicht. Ich habe durch meine Auftritte viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun und bekomme mit, dass sie Bairisch sprechen – nein, also da habe ich keine Angst.

Das heißt, um den Dialekt ist es gar nicht so schlimm bestellt?
Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der Dialekt verpönt war – Anfang der 90er Jahre. Jetzt aber ist er wieder im Kommen.

Auch in München?
Ja. Ich höre dort immer mehr bairische Fetzen. Wobei das natürlich schon ein Hoch-Bairisch ist. Meine Oberpfälzer Aussprache gefällt den Münchnern aber auch.

Sie würden also sagen: Bairisch kommt gut an?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir Bayern mit unserer Sprache auf Anhieb sympathisch auf andere wirken. Man kommt sofort ins Gespräch, wo man herkommt und so weiter. Das ist ein Türöffner. Und schon längst hat der Bayer nicht mehr das Image eines Tollpatsches, wie es in frühen Filmen der 50er und 60er Jahren vermittelt wurde.

Welchen Stellenwert hat der Dialekt für Sie?
Er ist ein Stück Identität. Das Entwurzelte, was man heutzutage oft erlebt, kommt auch davon, wenn man seine Sprache und damit ein Stück weit seine Heimat verleugnet.

Ihre Heimat ist Furth im Wald. Wo bekommen Sie dort die Inspiration für Ihre Geschichten her? Immerhin witzeln Sie sich schon seit 1981 durch Bayern.
Egal wo ich bin, ob im Wirtshaus, im Biergarten oder wenn Kinder mit ihren Eltern und der Oma ratschen, fallen mir immer Sachen auf, die mich zu einer Geschichte inspirieren. Ich kann mich nicht hinsetzen und sagen: So, jetzt schreibe ich eine lustige Geschichte. Das geht nicht. Ich brauche Anregungen von außen. Und ich brauche meinen Bayerischen Wald. In der Natur allein sein, das ist für mich wahrer Luxus. Ich kann sechs, sieben Stunden im Wald herumlaufen – das ist meine seelische Regeneration.


Leseprobe: "Hawedere, Rotkäppchen!"

Toni Lauerer: Die schönsten Grimms Märchen auf Bairisch. Südost-Verlag.

Ein Hörbuch der Märchen ist bereits für Juni geplant.

Ein Auszug aus Toni Lauerers Rotkäppchen:

Es is scho hübsch lang her, da hats amal a kloans Deandl geben, des war echt a so a süße Maus, dass alle gern ghabt ham. "Mei, schauts des Deandl o!", hamms gsagt, is des liab! Alle hamms zum Fressen gern ghabt – oaner wollts tatsächlich fressen, owa wer des war, des sog i eich später.

Da Nam vo dem Deandl war Reserl, eventuell aa Rosemarie, Chantal wahrscheinlich eher ned, owa genau woassmas nimmer, is einfach scho z'lang her. Es is owa aa ned wichtig, weil da Nam hod sich eh geändert, des werds a poor Zeilen weida unten glei lesen.

Am allergernsten hods ihra Großmuada ghabt, de hod ihr dauernd wos gschenkt – an Schokolad, a Puppn, a Wienerwürschtl und wos woass i no alls.

Eines Tages hods ihr a rote Haubn gschenkt, aso a Art Kappl, des war sogar aus Samt – unglaublich, aber wahr! Woass da Deifl, wo de Großmuada den Samt herghabt hod, weil Samt war mords deier seinerzeit und a Rente hods damals no ned gebn, owa is ja wurscht.

Des Kappl hod dem Deandl narrisch gfalln, de war ganz weg vor Freid. Und sie hod des Kappl nimmer vom Kopf owado, Dog und Nacht is de mit dem Kappl umanandagrennt, und drum hamm d’Leit bloß no Rotkäppchen zu ihr gsagt, logisch. (...)

Ihra Mama hod amal zu ihr gsagt: "Rotkäppchen, pass aaf, i hob an Auftrag für di! Do schau her, do host a Stückerl Kuchen und a Flasche Wein! De bringst bitte da Großmuada! Weil de is a weng haude beinand."

(...)

Und da Wolf, a hinterlistiger Hundskrippl, sagt ganz freindlich, zuckersiass direkt: "Hawedere, Rotkäppchen! Alles klar?"

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