"Es ist krachend voll": Warum es in diesem bayerischen Wirtshaus keinen Alkohol gibt

In einem Wirtshaus "Zur Sägemühle" in Hiltpoltstein gibt es nur noch Bier ohne Prozente. Das hat jedoch traurige Hintergründe.
von  Natascha Probst
Beliebtes Wirtshaus im bayerischen Hiltpoltstein: Der Gasthof "Zur Sägemühle".
Beliebtes Wirtshaus im bayerischen Hiltpoltstein: Der Gasthof "Zur Sägemühle". © Facebook: Gasthof "Zur Sägemühle"

Hiltpoltstein - Wer den Gasthof "Zur Sägemühle" in Hilpoltstein besucht, muss vorher nicht vereinbaren, wer später heimfährt und keinen Alkohol trinken darf. Denn den gibt es hier gar nicht. Die Wirtsleute in der Fränkischen Schweiz haben alkoholische Getränke von ihrer Speisekarte gestrichen. Grund dafür: Der Chef ist auf Entzug.

Am Neujahrstag war Wirt Vladimir Kloz auf eigenen Wunsch zur Entgiftung ins Krankenhaus gegangen. Das Wirtspaar stand vor einer Entscheidung: "Entweder er macht drei Monate Vollentzug, wir schließen das Wirtshaus derweil ganz und können dann womöglich gar nicht mehr öffnen", sagt Kerstin Gößl der AZ, "oder wir machen weiter – nur dann eben ohne Alkohol." Als ihr Mann in der Klinik war, hatte sie einige Zeit nachzudenken. "Wir haben ein Geschäft, das ist unsere Existenz", sagt Kerstin Gößl. Ihr Mann wollte auch, dass es weitergeht. Er habe ohnehin schon genug zerstört.

Das Wirtspaar: Vladimir Kloz und Kerstin Gößl.
Das Wirtspaar: Vladimir Kloz und Kerstin Gößl. © Facebook: Gasthof "Zur Sägemühle"

Gasthof "Zur Sägemühle" in Hiltpoltstein: Der Wirt durchlebt sieben Jahre des Deliriums

Und so machten die beiden weiter und ihre Geschichte auf Facebook öffentlich. Er freue sich auf alle, die seiner Gastfreundschaft treu blieben, schreibt Vladimir Kloz dort. "Ich freue mich darauf, Sie nach sieben Jahren des Deliriums nüchtern wiederzusehen."

Die Reaktionen auf Facebook: positiv. "Falls er mal jemanden zum Reden braucht, kann er sich gerne melden. Bin seit August 2022 trocken", schreibt da einer. "Wunderbar, wir schlagen definitiv Samstag auf", ein anderer. Jemand gibt sogar schon Getränketipps für die alkoholfreie Zukunft: "Kann alkoholfrei-vom-winzer.de empfehlen, dort schon gute Flaschen gepickt, wie zum Beispiel 'Deserteur Riesling' oder 'Null Alkohol Rosé'". Andere bedanken sich für die Ehrlichkeit bei diesem Tabuthema. "Ich ziehe meinen Hut vor Euch."

Seit 13. Januar hat der Gasthof "Zur Sägemühle" von Wirt Vladimir Kloz wieder geöffnet. Nun auf der Getränkekarte: Zahlreiche alkoholfreie Getränke.
Seit 13. Januar hat der Gasthof "Zur Sägemühle" von Wirt Vladimir Kloz wieder geöffnet. Nun auf der Getränkekarte: Zahlreiche alkoholfreie Getränke. © Facebook: Gasthof "Zur Sägemühle"

Nur noch Alkoholfreies: Der Gasthof "Zur Sägemühle" ist krachend voll

Tatsächlich seien 90 Prozent der Reaktionen positiv gewesen, sagt Kerstin Gößl. Und die anderen zehn Prozent? "Die gibt's immer, aber sonst gäb's die 90 Prozent Rest ja nicht." Zwei Beiträge musste sie löschen lassen, wegen Gewaltandrohungen.

Seit 13. Januar haben die beiden ihren Gasthof, den sie seit 2019 betreiben, wieder geöffnet. Und ist nun weniger los, seit es keinen Alkohol mehr gibt? "Es ist krachend voll", sagt Kerstin Gößl. Die 50 Plätze in der Wirtsstube waren am Wochenende durchwegs besetzt, die Menschen hätten sich die Türklinke in die Hand gegeben - von 12 Uhr mittags an. Nur einer war am Sonntag da, der wollte unbedingt ein "richtiges Weizen". Als sie ihm sagte, dass es keinen Alkohol gebe, habe er ihr die Speisekarte hingeknallt. Aber das sei ihr egal. "Ja Gott, dann halt ned."

Glutenfrei und vegan kann man hier auch speisen

Dass die Umstellung auf alkoholfreie Getränke auf Dauer schlecht für das Wirtshaus ausgehen könnte, glaubt Kerstin Gößl nicht. Viele kämen gerade wegen der Geschichte vorbei. Und die anderen, "die überlegen es sich schon sehr wohl, ob sie weitergehen", sagt Kerstin Gößl. "Wir sind hier die einzige Wirtschaft in vier, fünf Kilometern."

Das Wirtshaus liegt direkt an den fränkischen Drei Zinnen – "ja, die gibt es nicht nur in den Dolomiten", sagt Kerstin Gößl. Viele Kletterer, Wanderer und Radfahrer kommen hier vorbei. Doch schon zuvor war das Wirtshaus kein Lokal, wie man es sich im typisch bayerischem Sinne vorstellt: Denn der Gasthof kommt vollkommen glutenfrei aus und bietet auch vegane Speisen an.

Neben normalem Cordon bleu gibt es hier Sellerie- und Sojaschnitzel oder "Black Bean"-Bratlinge. Und nun hat das Wirtshaus eben auch noch eine außergewöhnliche Getränkekarte: Um die 20 alkoholfreie Biersorten, zum größten Teil aus der Region, sind im Angebot. Dazu gibt es alkoholfreie Weine, Saftschorlen, Kaltgetränke und hausgemachte Limonaden. Auch die Speisen sind nun alkoholfrei – darunter der Kuchen.

Die Tendenz geht zu alkoholfreien Getränken

Die Tendenz gehe ohnehin zu weniger Alkohol und alkoholfreien Getränken, meint Gößl. Vergangenen Sommer, als es so heiß war, hätte sie viel weniger Alkohol verkauft. "Die Wanderer wollten immer ganz dünnes Radler oder ganz dünne Weinschorle." Dass alkoholfreie Getränke immer mehr im Kommen sind, bestätigt auch Frank-Ulrich John, Geschäftsführer des Bayerischer Hotel- und Gaststättenverbands, der AZ. Gerade bei jungen Leuten. Mittlerweile gebe es nicht nur Bier, sondern auch Weine in einer Qualität, die man verkaufen könne. "Eine interessante Nische."

Auch große Hersteller würden mittlerweile im "Wenig-Alkoholsegment" einsteigen. Alkoholfreies Bier sei sogar viel aufwendiger zu brauen als alkoholhaltiges, sagt Kerstin Gößl. "Und das schmeckt ja heute auch nicht mehr so wie das Spülwasser von vor zehn Jahren."

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