"Es ist deprimierend": Frust auf Berghütten in Bayern – erste Betreiber ziehen Konsequenzen

Oberstdorf - Brennende Stühle, mit Exkrementen verschandelte Kuscheldecken und haufenweise Schnapsflaschen und Müll. So wurde laut Wirt Jochen Krupinski der Winterraum der Mindelheimer Hütte (Kreis Oberallgäu) hinterlassen, wie er im Gespräch mit der AZ erzählt.
Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen kuriosen Einzelfall. So berichtet auch Andreas Greiner, Mitbetreiber der Rappenseehütte (Kreis Oberallgäu), der AZ, dass bei ihm die zum Winterraum angrenzende Tür aufgebrochen und Geld aus der Kasse entwendet worden sei. Immer wieder werden frei zur Verfügung stehende Räumlichkeiten in den nicht im Winter betriebenen Berghütten für Partys missbraucht.
Ein Phänomen so alt wie das Konzept des Winterraums selbst, sagt Robert Kolbitsch vom Deutschen Alpenverein (DAV) der AZ. "Es kommen halt immer mehr Leute in die Berge, deswegen werden auch die Winterräume beliebter." Wesentlich drastischer drücken es Sylvia Socher und Andreas Greiner, die Betreiber der Rappenseehütte, aus: "Wir sind der Meinung, dass der Winterraum dem 'Ansturm auf die Berge' nicht mehr gewachsen ist."
Missbrauchte Winterräume: "Verschmutzungen in und um die Hütte sind zum Teil erheblich"
Aber was ist überhaupt ein Winterraum? Dabei handelt es sich um ein frei zugängliches Hüttenzimmer, in dem Selbstversorger auch im Winter in den Bergen übernachten können. Betten mit Decken, ein Ofen mit Brennholz oder gar ein Gaskocher gehören zur typischen Ausstattung. Die Übernachtungsgebühr (sieben bis 15 Euro pro Person und Nacht) wird auf Vertrauensbasis in die Hüttenkasse gelegt.
Doch da ist der Haken: Vertrauen. Denn wenngleich sich der DAV um die Erhaltung der Winterräume kümmert, muss man dort (meistens) kein Mitglied sein, um Zutritt zu erlangen. Das öffnet natürlich Tür und Tor für all jene, die den Raum nicht nur zum Übernachten nutzen wollen. "Nur die Hälfte der Winterraumgäste hat die fällige Übernachtungsgebühr bezahlt. Die Verschmutzungen in und um die Hütte sind zum Teil erheblich", berichten die Betreiber der Rappenseehütte.
Auch Michael Turobin-Ort, Geschäftsführer der DAV-Sektion Allgäu-Kempten, bestätigt die sinkende Zahlungsquote. "Es geht nicht ums Geldverdienen, sondern darum, die laufenden Kosten decken zu können", sagt er. Die Hüttenwirte müssten etwa das Brennholz kaufen oder im eigenen Wald hacken und den Berg hochbringen.

Verwüstete Winterräume statt zurückgelassener Gebühren
"Dieser Missbrauch führt zu Unmut, auch bei den Sektionen, weil der Erhalt dieser Winterräume sehr aufwendig ist. Das passiert ehrenamtlich", sagt Kolbitsch. "Es geht nicht gegen Partys", stellt er klar, "sondern um Rücksichtnahme auf andere". Eigentlich selbstverständlich – doch die verwüstet hinterlassenen Winterräume sprechen eine andere Sprache.
Das sorgt für Frust unter den Betreibern. Die Rappenseehütte würde gerne darauf umsteigen, dass Winterräume gebucht werden müssen. Die Mindelheimer Hütte hat ihren Winterraum sogar schon seit Corona gänzlich verschlossen und dabei soll es laut Krupinski auch bleiben. "Es ist nur deprimierend", sagt der Wirt. Um die Kollektivstrafe tut es ihm jedoch leid: "Die Guten sind die Vielen. Es ist nur ein ganz kleiner Prozentteil, der das auslöst."
Trotz vielfachem Vandalismus: DAV will Winterräume weiterhin offenhalten
"Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass Herr Krupinski dichtgemacht hat, ist das nicht das, was wir als Alpenverein im Sinne unserer Mitglieder und der Bergsteiger wollen", sagt Turobin-Ort vom DAV Allgäu-Kempten. Auch Kolbitsch ist unzufrieden mit diesen Schließungen. "Wir sind im Austausch mit den Sektionen. Da sollte man einen Weg finden, damit man das offen hält", sagt er. Denn Winterräume zur Verfügung zu stellen, sei nicht nur wichtig, sondern "gehört zum Alpenverein dazu".
Zwar gibt es auch vor verschlossenen Winterräumen einen frei zugänglichen Schutzraum. Der ist aber nicht zur Übernachtung geeignet, weil Betten und Heizmöglichkeiten fehlen. Die einzelnen DAV-Sektionen bestimmen für sich, wie sie den Zugang zu ihren Hütten gestalten. "Wir können nur unterstützen, auch wenn es zu Vandalismus kommt. Die Beseitigung dieser Schäden wird von uns mitgefördert", sagt Kolbitsch vom DAV. Das heißt, der Dachverband zahlt alle anfallenden Reparaturen.
Doch die Diskussionen um die Aufrechterhaltung der Winterräume im DAV reißen laut Kolbitsch nicht ab. Socher und Greiner von der Rappenseehütte gehören zu den Kritikern: "Der DAV sollte das Winterraumkonzept überdenken und sich fragen, ob immer mehr Menschen im Winter in unserem Naturschutzgebiet 'Allgäuer Hochalpen' unterwegs sein müssen."
Vielerorts ist der Zugang bereits jetzt nur noch über einen vorher abzuholenden Schlüssel möglich. "Finde ich schade, dass es sowas braucht. Eigentlich ist das Schöne, dass jeder schnell hinkann und nicht erst vorher einen Schlüssel organisieren muss", sagt Turobin-Ort. An Maßnahmen gegen den Missbrauch bleibt sonst nur noch der Appell an die Vernunft. Darauf setzt der DAV.