Es geht um 256 000 Euro: Erbin verklagt SOS-Kinderdorf
Im Testament vom Vater wurde sie nicht bedacht, jetzt kämpft sie im Zivilprozess um ihren Pflichtteil am Vermögen.
NÜRNBERG Um nichts wird erbitterter gestritten als um das Vermögen von Verstorbenen! Vor der 12. Zivilkammer des Nürnberger Landgerichts verklagte gestern die Tochter eines erfolgreichen Designers die Initiative SOS-Kinderdorf auf Auszahlung ihres Pflichtteil-Erbes. Der verärgerte Vater hatte es ihr per Testament entzogen und dem gemeinnützigen Verein (Zentrale in München) vermacht.
Das Problem war jedoch: Die Klägerin, Anfang 60, wusste gar nicht, wie hoch diese Summe war und wollte Auskunft. Doch die verweigerte der Kinderdorf-Anwalt,, ehe nicht klar sei, ob sie überhaupt als Erbin in Frage komme. „Ich schätze mal, es geht um 200.000 Euro“, tastete sich ihr Anwalt vor. Die Gegenseite schwieg.
Die Vorgeschichte des verzwickten Falls: Der 2008 in Nürnberg verstorbene Künstler (er gestaltete u.a. für Villeroy-Boch Geschirr wie „Safir“ oder „Anmut“) hatte in seinem Testament seitenweise schwere Vorwürfe gegen seine einzige Tochter erhoben und als Erbe seines Vermögens nicht sie, sondern das SOS-Kinderdorf eingesetzt.
Der Tochter steht per Gesetz als Pflichtteil die Hälfte zu
Doch war der letzte Wille auch gültig? Der Tochter steht per Gesetz als Pflichtteil die Hälfte zu, außer, sie wäre erbunwürdig. Dafür braucht es gravierende Vorwürfe, wie wenn sie ihm nach dem Leben getrachtet hätte.
Aber hier war der Vater angeblich verärgert, weil sie hinter seinem Rücken sein Konto samt Schließfach in Luxemburg aufgelöst haben soll. Er hatte einen Teil seines Vermögens steuerschonend dahin verlegt. 1997, als er pflegebedürftig war, ließ es die Tochter auf sich übertragen.
War er darüber informiert? „Natürlich“, behauptete der Anwalt der Klägerin. „Natürlich nicht“, erklärte der Anwalt des SOS-Kinderdorfes. Objektive Zeugen, die das eine oder andere bestätigen können, gibt es nicht.
Und die Anschuldigungen im Testament? Was genau darin stand, blieb offen. „Die Unwahrheiten, die er darin gegen seine Tochter zusammengestellt hat“, so ihr Anwalt, „wurden inzwischen entkräftet.“
Nach längerem Hin und Her einigte man sich gestern so: Angesichts des ungewissen Prozessausgangs akzeptierte die Klägerin 40 statt 50 Prozent vom Nachlass an das Kinderdorf. Und plötzlich zauberte dessen Anwalt die Nachlass-Liste auf den Richtertisch: 256.544,53 Euro hinterließ der Künstler der sozialen Einrichtung. Davon muss das SOS-Kinderdorf 102.617,81 Euro) an die Tochter abgeben. cis
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